Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
7.1913/14
Seite: 558
(PDF, 170 MB)
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haften, oft zwiespältigen, und schaut zugleich deren Abbild in der kosmischen
und menschlichen Natur. So gelangt er zu dem Fatalismus des Genies: dem Natur-
Fatalismus.

Obgleich seine Menschen weder Maschinen noch Spielbälle der Götter sind,
kommt es ihm allerdings auch nicht auf das an, was gewöhnlich Willensfreiheit genannt
wird; und so verliert auch die Frage nach Schuld und Sühne bei ihm ihre
Bedeutung. Sein Problem ist vielmehr die Menschennatur, wie sie in einer bedeutenden
Gestalt wirkt, im Wirken wächst und einen Strom von Ereignissen in Bewegung
setzt, der notwendig und unaufhaltsam wie ein Fatum dahinstürzt.

Der innige Zusammenhang zwischen Schicksal und Natur kommt bildlich zum
Ausdruck in dem Symbol des Sternes.

Hierfür hat Shakespeare zwei Darstellungsformen. Erstens finden wir das
Schicksal symbolisiert unter dem Naturbilde des Sternes.

Ein Beispiel mit unmittelbarem Beweise gibt Sebastian in „Was ihr wollt":

„Meine Gestirne schimmern dunkel auf mich herab; die Mißgunst meines
Schicksals könnte vielleicht das eurige anstecken." Hier meint er mit „Stern", wie
in der folgenden Zeile erläutert wird, „Schicksal"; die erste Zeile drückt das Schicksal
bildlich als Stern aus und verlegt es somit in den Bereich der Natur.

„Heinrich IV." dankt im dritten Teil (IV. 6) ab:

„Damit sein widerwärtiger Stern das Volk
In diesem Land des Segens nicht beträfe",
d. h, damit sein Schicksal nicht über das Volk komme.

Der erste Teil dieses Dramas beginnt mit einem Fluch auf
„Die empörten Sterne,
Die eingestimmt zu König Heinrichs Tod",
d. h. auf das böse Schicksal, das Heinrichs V. Tod beschlossen habe.

Als Romeo zum Ball der Capulets geht, ist er von Ahnungen befangen, die er
mit den Worten offenbart:

„Mein Herz ahnt ein Verhängnis, das noch
Verborgen in den Sternen",
d. h. ein Verhängnis, das schon vom Schicksal beschlossen ist.

In der ersten Szene des fünften Aktes ruft Romeo auf die falsche Kunde von
Juliens Tode aus:

„Ist es also? Dann trotz ich euch, ihr Sterne!''
d. h. dann biete ich dem Schicksal Hohn — indem ich in den Tod gehe.

In der dritten Szene ist er fest entschlossen, in der Gruft bei Julia zu sterben:
„Und schüttle von dem lebensmüden Leibe
Das Joch feindseliger Gestirne",
d. h. befreie mich von dem bösen Schicksal, das mich müde gehetzt hat.

Im Prolog deutet der Dichter Inhalt und Charakter der Tragödie an mit den
Worten: „A pair of starcrossed lovers", nach Schlegels Übersetzung: „Ein Liebespaar
in schlimmer Sterne Bann." Der Sinn ändert sich nicht, wenn wir sagen: in
eines bösen Schicksals Bann.

Hier könnte man bemerken, daß sich Stern oder Schicksal in diesem Falle
nicht mit Menschennatur decke, da ja die Natur gerade diese Liebenden gewaltig zueinander
dränge, während das Schicksal sie auseinandertreibe. Unsere Antwort
lautet, daß dieselbe Natur, die sie zusammentreibt, sie auch auseinanderreißt. Denn
sie sterben durch die Übereilung, zu der ihr heißes Blut, ihr jähes Temperament sie
in allen Lagen drängt; und der Dichter weiß, daß die Liebe eine allversehrende
Flamme sein kann, die den Menschen notwendig vernichtet.

Etwas schwieriger ist die Deutung des Sternenglaubens in „König Lear".
Wenn da der alte Kent (IV. 3) im Hinblick auf die Verschiedenartigkeit der Töchter
Lears ausruft:


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