Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465
Gesellschaft für Beförderung der Geschichts-, Altertums- und Volkskunde von Freiburg, dem Breisgau und den Angrenzenden Landschaften [Hrsg.]
Zeitschrift der Gesellschaft für Beförderung der Geschichts-, Altertums- und Volkskunde von Freiburg, dem Breisgau und den Angrenzenden Landschaften
21.1905
Seite: 66
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Beck

das würde mir unerklärbar sein, wann ich nicht wüßte, daß eine einzige
falsche seßhafte Meinung den Scharfsinn des glücklichsten Kopfes
überrumpeln könne. Und wie? Der nehmliche Mann, der seinen Bruder
Hasenkamp1 gegen den Aberglauben von Satans Macht und List stärkt,
nimmt die Gaßner'schen Teufeleien in Schutz. Unverhörter Weise habe
ich den neuen Exorcisten nicht gerichtet, da sich diese wunderbare
Geschichte gleichsam an den Thoren meiner Vaterstadt zutrug, so Avar's
mir sehr leicht Erkundigungen einzuziehen, die bei mir so viel als
augenscheinliche Ueberzeugung gaben. Ich sah in Nördlingen und
Aalen ganze Wägen voll Krüppel, Lahme, Blinde, Fallsüchtige, sah
ihren Glauben an Jesum und ihr Vertrauen auf den Wundermann
Gaßner; ich sprach mit ihnen und wünschte von Herzen, daß ihnen
geholfen werden möchte. Aber hülflos, und durch die Qualen des Exorcisten
Gaßners noch mehr entkräftet, und mit Verschwendung großer
Kosten kamen sie zurück. Ich, mein Schwager, der Archidiakonus
Bök in Nördlingen, der Verfaßer der Schulbibliothek, und mein akademischer
Freund, der HE. Superintendent Lang in Trochtelfingen, ein vortrefflicher
Mann2, bezeugen's Ihnen vor Gott (vor den Augen eines
großen und berühmten Mannes Sprech' ich gerne wie vor Gott), daß
wir unter den zahllosen Schaaren Presthafter nicht einen Einzigen
Menschen sahen, dem geholfen wurde3. Wann nun nur der Zehntel
deßen, was von ihm erzählt Avird, wahr ist — und erdichtet ist gewiß
nicht Alles —; wann er nur einen einzigen Menschen, den er im
Namen Jesu geheilt haben will, nicht geheilt hat; wenn nur eine einzige
Spiegelfechterei erwiesen wird, die er getrieben hat; wann er diejenigen
, die ihm nicht glauben wollen, anfährt und Ochsen und Esel
schilt; wenn Gaßner den Namen Jesu so freventlich zu seinen Wunder-
komödien, um tanzende, komplimentirende, lächerliche, weinende Gichter
zu provociren, mißbraucht; — kann er da der redliche Gaßner
heißen? Muß nicht eine jedwede andere scheinbar probhaltige
Wunderkur, die er verrichtet haben möchte, ebenso verdächtig und ungültig
werden, als wie alle Wunder Christi werden Avürden, wenn's nur

1 Lavater besuchte im Sommer 1774 auf seiner Reise nach Bad
Ems den Rektor Hasenkamp in Mühlheim a. Rh., mit welchem er schon
vorher in Briefwechsel stand.

2 Georg Heinr. Lang war im Jahre 1740 zu Ottingen geboren
und ein Freund von Schubarts Schwager, dem Rektor Bökh in Nördlingen
(siehe Schubarts „Gesinnungen usw." II. S. 90—92 und Grad-
manns „Gel. Schwaben usw." S. 326—330).

3 Zu vgl. damit die von Schubart in seinen „Gesinnungen usw."
II. S. 94—97 gegebene, fast ebenso drastische Schilderung der Gaßnerei in
Ellwangen; schon im Dezember des Jahres 1774 soll die Zahl der nach
Ellwangen Zuströmenden über 2700 Personen betragen haben!


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