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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1966/0053
Zollern und Rhäzüns

Wir unterscheiden in Graubünden drei große Volksbünde, die aus verschiedenen
Anlässen und gesondert voneinander entstanden sind:

1. den nach dem bischöflichen Gotteshaus in Chur benannten Gotteshausbund
(mit dem Hauptort Chur), entstanden 1367 unter den Untertanen des Bischofs von
Chur, um die Rechte des Bistums im Inntal, Engadin und Vintschgau gegen die
Grafschaft Tirol und die dort regierenden Habsburger zu verteidigen,

2. den Oberen oder Grauen Bund von 1395 bzw. 1424 (mit dem Hauptort
Ilanz), der sich hauptsächlich gegen das Fehdeunwesen in Mittelbünden richtete und
dessen eigentlicher Gründer der Abt von Disentis war, und

3. den Zebngerichtebund von 1436 (mit Davos als Hauptort) im Gebiet des
des Grafen von Toggenburg, entstanden zu dem Zweck, beim Aussterben der Grafen
von Toggenburg möglichst eine Teilung unter verschiedene Erben, insbesondere eine
Abtretung an auswärtige Herren, zu verhindern und bei einer unvermeidbaren
Teilung sich gegenseitig Schutz gegen willkürliche Behandlung zu gewähren.

An der Spitze des Gotteshausbundes stand ein Bundespräsident, an der Spitze
des Oberen Bundes ein Landrichter und an der Spitze des Zehngerichtebundes ein
Landammann.

Aus politischer Notwendigkeit, vor allem als Reaktion auf den wachsenden
habsburgischen Druck und Einfluß kam es seit der Mitte des 15. Jahrhunderts allmählich
zu einem engeren Zusammenschluß der drei Bünde, der im Bundesvertrag
von 1524 eine festere Organisation erhielt. Das Ergebnis war aber nicht viel mehr
als ein lockerer Staatenbund, der sich aus einer großen Zahl souveräner Gerichtsgemeinden
zusammensetzte, die - oft mehrere Dörfer, bisweilen auch eine ganze
Talschaft umfassend - eifersüchtig ihre Rechte und Freiheiten verteidigten und es
daher zu keiner mit genügend Macht ausgestatteten gemeinsamen Exekutive kommen
ließen. Gasser13 hat ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die eigentlichen
Gliedstaaten des rätischen Staatenbundes die Gerichtsgemeinden und nicht etwa
die drei Einzelbünde bildeten, während Jenny14 sogar nur von einem „staatenbundähnlichen
Gebilde von Gerichtsgemeinden" zu sprechen wagt.

Die führende Rolle in diesem lockeren Staatswesen kam dem Oberen oder
Grauen Bund zu, der schließlich auch dem heutigen Kanton seinen Namen gegeben
hat: Graubünden.

Als einziger der drei Bünde hatte der Obere Bund ein aus 15 Männern bestehendes
Bundesgericht, welches - wohl aus einem Landfriedensgericht entstanden
- Streitigkeiten zwischen den Bundesgliedern entscheiden konnte. Auf diese Weise
wurde dem mittelalterlichen Fehderecht entgegenwirkt und die Notwendigkeit
vermieden, auswärtige Gerichte anzurufen.

Die Tatsache, daß auch die Territorialherren dieses Gericht der 15 anriefen
und sich seiner Entscheidung fügten, zeigt, daß dieses Gericht sich eines guten Rufes
und großen Ansehens erfreute, und beweist gleichzeitig, daß die Macht der Territorialherren
im Gebiet der drei Bünde mehr und mehr eingeschränkt wurde, während
die Bünde immer selbständiger, unabhängiger und selbstbewußter auftraten, ja
späterhin weitgehend sogar das Übergewicht über ihre Herren erlangten. Zwar
bestanden deren Herrschaftsrechte teilweise fort, doch hatten die Gerichtsgemein-

1S Adolf Gasser, Die territoriale Entwicklung der Schweizerischen Eidgenossenschaft 1291—1797,
Aarau 1932, S. 134.

14 Rudolf Jenny, Das Staatsarchiv Graubünden in landesgeschichtlicher Schau, Chur 1957, S. 30.

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