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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1966/0229
Besprechungen

Jürg Arnold: Das Erbrecht der Reichsstadt Esslingen.

Stuttgart: Müller & Gräff 1965. XVI, 220 S. Brosen. DM 18.-.
(Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde 5)

Die lange Pause der geschichtlichen Erforschung des deutschen Privatrechts geht zu
Ende. Ein neues Verständnis der Rezeption weist Germanisten und Romanisten die gemeinsame
Aufgabe zu, das Neuland der jüngeren Privatrechtsgeschichte umzubrechen. Dabei
scheint die deutschrechtliche Forschung besonders dazu berufen zu sein, durch Einzeluntersuchungen
die Rechtswirklichkeit aufzudecken. Dieses Ziel setzt sich auch die vorliegende
Darstellung, eine Arbeit aus dem Schülerkreis Ferdinand Elseners (Tübingen). Nach einer
allgemeinen Einführung in das Esslinger Stadtrecht wird der Stoff in zwei Teile, gesetzliche
Erbfolge und gewillkürte Erbfolge, gegliedert.

Die Entwicklung des gesetzlichen, zunächst noch gewohnheitsrechtlichen Erbrechts schildert
der Verf. an Hand von Rechtsaufzeichnungen aus den Jahren 1280, 1626 und
1712. Die Rechtsmitteilung an Brackenheim von 1280, deren Anlaß die Bewidmung mit
Esslinger Stadtrecht war, zeigt noch die ältere deutsche Erbfolgeordnung: Bei kinderloser
Ehe blieb das eingebrachte Gut im Vermögensverband der Familie und fiel beim Tode eines
Ehegatten an die jeweiligen Verwandten zurück; jedoch hatte der überlebende Ehegatte,
dem im übrigen die Errungenschaft anwuchs, am rückgefallenen Gut ein lebzeitliches Nutzungsrecht
. Waren Kinder aus der Ehe hervorgegangen, so läßt die Rechtsmitteilung auf ein
Verfangenschaftsrecht schließen. Hiernach wurden beim Tode eines Ehegatten die beiden
Eltern gehörenden Liegenschaften den Kindern »verfangen", während dem überlebenden
Ehegatten deren Nutzung sowie die freie Verfügung über die Fahrnis blieb. Hat sich das
Fallrecht bei kinderloser Ehe schon im 15. Jh. zu einem ausschließlichen Ehegattenerbrecht
entwickelt, so blieb das Verfangenschaftsrecht bis 1712 erhalten, ja lebte sogar danach als
statutarische Nutznießung am Erbgut der Kinder verkümmert weiter.-Die Brackenheimer
Rechtsmitteilung, die von einem gelehrten Geistlichen geschrieben wurde, zeigt in der Geltung
des Eintrittsrechts der Erbberechtigten römischrechtliche Berührungen, die zwei Jahrhunderte
später allerdings wieder verschwunden sind. Dies weist darauf hin, daß die Rezeption
nicht immer eine ungebrochene Entwicklung nahm.

Im Mittelpunkt des Esslinger Erbrechts steht bis zu seiner Aufhebung das dann im
Erbrechtsstatut von 1626 geregelte Verfangenschaftsrecht der Kinder, das bis ins 16. Jh. als
Wartrecht verstanden, später von der Wissenschaft als mit dem Nießbrauch des überlebenden
Ehegatten belastetes Eigentum der Kinder dogmatisiert wurde. Problematisch war wegen
der Rechtsfolgen die Abgrenzung von Fahrnis und Liegenschaft, da besonders die Handwerksbetriebe
ihre Werkzeuge z. T. als mit der Liegenschaft verbunden ansahen. Zur Vorbereitung
einer Regelung befragte der Rat hierüber 1552 die Zünfte. Das Verfangenschaftsrecht
wurde durch ein Teilrecht sinnvoll ergänzt. Dieses verhütete vor allem, daß bei Erbmassen
, die nur oder überwiegend Fahrnis enthielten, die Kinder benachteiligt wurden.
Trotz dieser Korrekturen wurde jedoch das Verfangenschaftsrecht mehr und mehr als lästig
empfunden, so daß es durch das »Verbesserte Erbrecht" von 1712 abgeschafft wurde. Dieses
neue, wie schon das Statut von 1626 aus gelehrter Feder stammende Erbrecht gab den römischen
Instituten breiten Raum. Dennoch erhielten sich bewährte Züge der deutschen Rechtsentwicklung
wie das Ehegattenerbrecht, der Voraus und die statutarische Nutznießung.

Für die gewillkürte Erbfolge war der Verf. fast gänzlich auf die erhaltenen Urkunden
des Stadtarchivs angewiesen. Die Verfügungen von Todes wegen entsprechen bis zum 15. Jh.
gesicherten Erkenntnissen. Für die folgende Zeit betritt der Verf. ein weithin unbestelltes
Feld. Die Quellen zeigen, daß das mittelalterliche Testamentsrecht im Laufe des 16. Jh. in
römischrechtliche Formen hineinwächst. Sehr anschaulich wird gezeigt, wie wenig man sich
zunächst um begriffliche Schärfe bemühte (S. 103), weshalb auch die vom Verf. vorgeschlagene
Abgrenzung zwischen gemeinsamem Testament und Erbvertrag (S. 100 f.) Bedenken
begegnet. Das repizierte Recht verdrängte auch die älteren Esslinger Errichtungsformen
des vom Richter beurkundeten Testaments und des Testaments mit Eintragung ins Stadt-

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