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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1966/0231
Besprechungen

geistliche Gerichte und adlige Parteien beschränkte. Spätestens seit dem 17. Jh. ist Tübingen
bis zum Ende der Aktenversendung i. J. 1879 als eines der gesuchtesten Rechtsprechungskollegien
eingeführt.

Leider läßt sich jedoch für die entwicklungsgeschichtlich bedeutsamste Zeit bis etwa
1600 keine Anschauung gewinnen, da das Material lückenhaft ist. Den ermittelten 38 Con-
silien können ergänzend nachgetragen werden: Im kurpfälzischen Wiedertäuferprozeß
(1527-1534) hat sich neben den Rechtskollegien Köln, Mainz, Trier, Freiburg, Ingolstadt,
Leipzig und Heidelberg auch Tübingen gutachtlich geäußert (Universitätsarchiv Freiburg,
Consilien der Juristenfakultät). Die Entscheidungssammlung der Freiburger Juristenfakultät
(Univ. Bibl. Freiburg, Hs. 249) enthält ein Tübinger Consilium „in causa executionis testa-
menti" v. J. 1551. Aus dem bereits genannten Freiburger Archivbestand läßt sich ferner ein
Tübinger Responsum von 1557 oder 1558 in Sachen der Gebrüder von Biberstein gegen die
Herren von Blumneck erschließen. Besondere Beachtung verdient die Beobachtung des Verfassers
, daß zu Beginn der Gutachtertätigkeit die Privatarbeiten einzelner Doktoren weit
überwiegen, allmählich aber zugunsten der kollegialen Consilien in den Hintergrund treten.
Die alte kollegiale Gerichtsverfassung verschafft sich so wieder Geltung. Daß es auch in
Tübingen Übergangsstufen zwischen Einzel- und Kollegialgutachten in Form der Fakultätsapprobation
eines Privatconsiliums gegeben hat, beweist die im Anhang IV mitgeteilte
- leider im Text nicht ausgewertete - „Subscriptio". Solche Bestätigungen hat bereits 1495
Zasius in Tübingen eingeholt (R. Stintzing, Ulrich Zasius, 1857, S. 19 ff.). Um bloße Approbationen
handelt es sich übrigens auch bei den oben angeführten Gutachten für die Pfalz
und für die Herren von Biberstein. Auf eine sich erst entwickelnde Gutachterkollegialität
weist auch das aufschlußreiche erste Tübinger Fakultätsconsilium von 1495, welches zwar
das Fakultätssiegel, aber noch keine Amtsunterschrift, sondern die Namenszüge der einzelnen
Mitglieder enthält. Hier bleibt also künftiger Forschung noch Raum.

Problematisch sind die an eine allzu dogmatisierende Literatur angelehnten Ausführungen
des Verfassers zur Bindung der Gerichte an die Fakultätssprüche. Sätze wie „Seit
Ende des 16. Jahrhunderts waren die Gerichte an die Fakultätsurteile gebunden" (S. 29)
sind zu einfach. Wird hier nicht versäumt, aus den im übrigen erkannten Anfängen und
Wurzeln der Aktenversendung die Folgerungen zu ziehen? Denn für die ungelehrten Gerichte
war und blieb die Bindung wie ehedem eine Autoritätsfrage, und nur auf Seiten der
gelehrten Juristen wurde - und hier keineswegs immer klar und folgerichtig - zwischen unverbindlichen
Gutachten und zwingendem Spruch unterschieden. Gerade der Verfasser bestätigt
, daß auch für die Tübinger Praxis den Begriffen „Consilium" und „Responsum"
keine unterscheidende Kraft zukommt. Falsch ist in dieser Allgemeinheit sicherlich auch die
von Stölzel (Die Entwicklung des gelehrten Richtertums in den deutschen Territorien, Bd. 1,
1872, S. 219) übernommene Ansicht, die Fakultäten seien dazu übergegangen, zur Arbeitserleichterung
der Gerichte ihren Rechtsausführungen Urteile anzufügen. Im Gegenteil, sie
wurden von den Ratsuchenden darum gebeten, wie schon das Fakultätsconsilium von 1495
und vergleichsweise die benachbarte Freiburger Praxis zeigt. Wie sehr sich das alte Spruchwesen
gegenüber den wissenschaftlichen Ansätzen der Fakultäten letztlich behauptet, kann
der Verfasser am Tübinger Beispiel eindrucksvoll darstellen: Das Gewicht liegt auf dem
deutschgefaßten Spruch, weniger auf den lateinischen Begründungen, die daher seit 1573
regelmäßig überhaupt weggelassen werden.

Das Verfahren beim Tübinger Spruchkollegium ist schon früh rationalisiert: Ein Referent
trägt dem beschließenden Kollegium vor. Eine ausdrückliche Geschäftsordnung enthalten
die Fakultätsstatuten von 1601 mit Ergänzungen v. J. 1752. Die seit Anfang des
17. Jh. vorbildliche Aktenführung gestattet wertvolle Einblicke in Einzugsbereich und Eingang
der Akten, vom Verfasser durch Karten und Tabellen gut aufgeschlüsselt. Dabei werden
wieder die starken konfessionellen Bindungen oder Abneigungen deutlich. So ist das
katholische Oberschwaben in der Consulentenliste kaum vertreten, während hier Freiburg
i. Br. sein Stammland hat. Auch in Tübingen versuchte man seit 1771, außenstehende
Doktoren zur Sprucharbeit heranzuziehen; Bestrebungen, die in Freiburg seit 1768 verwirk -

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