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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1967/0226
Verfassungsgesdiidite und Landesgesdiidite

Von dieser nahezu vollständigen Beschränkung der Verfassungsgeschichte auf
den Staat und seine von ihm ausgehenden und abhängigen Ordnungen hat sich die
moderne, an der Landesgeschichte orientierte Verfassungsgeschichte befreit. Der
heute lebende Historiker, so betonte Dr. Baaken, versteht als Verfassungsgeschichte
„die Gesamtheit der Zustände - rechtlicher, sozialer, wirtschaftlicher Natur -, unter
denen menschliche Gruppen in einer bestimmten Zeit, in einem abgegrenzten Raum
lebten." Die Anwendung dieses neuen Verfassungsbegriffs führt von selbst zur
Berücksichtigung landesgeschichtlicher Quellen und Methoden, gerade wenn man
bedenkt, wie viele Funktionen, die erst in den letzten Jahrhunderten der Neuzeit
vom Staat wahrgenommen wurden, im Mittelalter und in der frühen Neuzeit
kleinere, landschaftlich gebundene Verbände ausübten.

Aber nicht nur die Verfassungsgeschichte, auch die Landesgeschichte hat in den
letzten Jahrzehnten ihre Ziele überdacht und neu formuliert. Sie verließ ihre früher
so starke Beschränkung auf die Regenten- und Territorialgeschichte, die oft wie ein
Nachäffen der Reichsgeschichte im kleinen aussah, und schuf sich eine wesentlich
breitere Aufgabenbasis: das Land; nicht mehr allein das Land als Territorium,
sondern „der, nach gemeingermanischem Sprachgebrauch, von Menschen in Besitz
genommene, genutzte und umgestaltete Grund und Boden". Landesgeschichte ist
also „die Geschichte dieser Bewältigung der natürlichen Gegebenheiten durch den
Menschen und menschliche Gemeinschaften".

Die neuen Zielsetzungen bei Verfassungsgeschichte und Landesgeschichte erbrachten
besonders im deutschen Südwesten entscheidende Fortschritte auf beiden
Gebieten. Gerade in unserem Land bietet die Abfolge von keltischer, römischer,
alemannischer und fränkischer Siedlung, Herrschaft und Kultur gegenüber anderen
deutschen Landschaften eine größere historische Vielschichtigkeit, „ein Vorzug, der
den deutschen Südwesten zu einem methodischen Exerzierfeld der modernen Ver-
fassungs- und Landesgeschichte werden ließ", angeführt von ihren Häuptern: Karl
Siegfried Bader, Heinrich Dannenbauer und Hans Jänichen.

Dr. Baaken - durch eigene Forschungen zur frühen und hochmittelalterlichen
Verfassungsgeschichte bekannt - zeigte nun an drei Beispielen, zu welchen neuen
Ergebnissen die mit landesgeschichtlichen Methoden und Quellen arbeitende Verfassungsgeschichte
gelangte.

Zu den frühesten in den Quellen faßbaren Herrschaftsbereichen unseres Landes
zählen die Huntaren (huntari, Hundertschaften) und Baaren. Erstere hat man lange
als eine germanische Einrichtung angesehen, als Zusammenschluß mehrerer Sippen
mit Hundertschaftsführer, Hundertschaftsgericht, -Versammlung und -bürg. Dieses
von der älteren verfassungsgeschichtlichen Forschung entworfene einheitliche und
in die Lehr- und Schulbücher aufgenommene Bild der Huntaren erwies sich als
falsch, weil die landesgeschichtliche Forschung feststellt, daß die genannten Institutionen
im Einzelfall nicht zu finden sind. (Der Vortragende nannte als Beispiel die
Hattenhuntare - den Raum um Hechingen.) Heinrich Dannenbauer und Hans Jänichen
verdanken wir die neue Erkenntnis, daß die Huntaren um 600 eingerichtete
fränkische (nicht ur- oder gemeingermanische) Besatzungseinheiten und Stützpunkte
waren, mit der Aufgabe, die vom alemannischen Adel besetzten Baaren zu umklammern
.

Ähnlich wie die Huntaren wurden auch die Gaue und Grafschaften des frühen
Mittelalters in ein System gebracht: Zuerst seien die Gaue politische Bezirke des

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