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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1968/0145
Fürstenhaus und Kunstbesitz

weswegen das in Rede stehende merkwürdige Gefäß als klösterliches Kunsterzeugnis
zu betrachten sein dürfte, möglicherweise von den Metallkünstlern der Abtei
Reichenau, haben wir darin zu erblicken geglaubt, daß seit der Karolingischen Zeit
der Metallguß als eine von Deutschen vorzugsweise geübte Kunst1 für kirchliche
Zwecke eine vielfache Anwendung gefunden habe, so zwar, daß deutsche Bronce-
arbeiten um diese Zeit in Italien berühmt waren und nachweislich für Kathedralen
jenseits der Berge häufig gefordert wurden. Was nun die formelle Ausbildung des in
Rede stehenden Weihbeckens betrifft, so muß gesagt werden, daß mit der oben angedeuteten
Annahme des klösterlichen Ursprunges auch der gewählte Bildercyklus
vollkommen im Einklang stehe. Es treten nämlich auf dem Weihgefäß, in 2 Reihen
geordnet, fast als Hautreliefs die Standbilder der zwölf Sendboten auf, biblisch aufgefaßt
in ihrer Verherrlichung, wie sie am großen Tage der Vergeltung mit dem
Heiland wiederkehren werden, sitzend auf Thronen nach dem Spruche „iudicantes
tribus Israel"; und zwar sind in der untern Reihe diese Apostelstatuen dargestellt
thronend unter baldachinartigen Rundbogen. In der obern Reihe erblickt man die
übrigen sechs Apostelbilder, sitzend auf Regenbogen unter Nischen, die in dreieckiger
Giebelform ausmünden. In diesen vorspringenden Spitzgiebeln hat der
Künstler in früh romanischen Majuskeln, die in ihrer Formirung noch Reminiscen-
zen an die römische Kapitalschrift durchblicken lassen, die Namen der einzelnen
Aposteln energisch eingravirt. In den Bogenzwickeln, die sich über diesen Bildwerken
der obern Reihe befinden, zeigen sich als ausfüllende Ornamente in Weise
der Byzantiner geflügelte Cherubim als hexapteroi, die zu beiden Seiten von einem
Pflanzenornament umgeben sind, das nicht undeutlich die Frühform der „fleurs de
Iis" erkennen läßt. An denselben analogen Stellen bei der untern Apostelreihe sind
in herzförmigen Medaillons in Brustbildern ebenfalls Engelgestalten zur Anschauung
gebracht, die zu der niedern Gattung der himmlischen Geister zu gehören scheinen,
indem dieselben mit menschlichen Körperbildungen umkleidet sind. Gleichwie nun
der Componist in den einzelnen Apostelbildern den ganzen „coetus" derselben vollständig
veranschaulicht hat, so scheint uns derselbe Künstler durch die Darstellung
der Repräsentanten der niedern und höhern geistigen Wesen gleichsam als „pars
pro toto" die neun Chöre der Engel als himmlische Phalanx den Aposteln beiordnen
zu wollen.

Als mittelalterliches plastisches Sculpturwerk aus der früh romanischen Kunstepoche
entbehrt das in Rede stehende Weihgefäß nicht jener phantastischen Thierbildungen
, wie sie reich begabte Phantasie ebensowohl an kirchlichen Gefäßen wie
an architektonischen ornamentalen Detailbildungen und selbst sogar an liturgischen
Webereien u. Stickereien in größter Formenfülle anzubringen gewohnt war. Es
dürfte gewagt erscheinen, eine bestimmte symbolische Deutung diesen schuldlosen
Formationen eines reich begabten Gemüthes hierorts aufstellen zu wollen, da ja
überhaupt das Kapitel der mittelalterlichen Thiersymbolik bis zur Stunde noch einer
gründlichen und allseitigen Bearbeitung entbehrt. Das aber kann ohne Wagniß
angenommen werden, daß sämmtliche Thierbildungen, wie sie auf dem in Rede
stehenden Gefäß in Form des „leo", des „grypho" sowie in Weise von geflügelten
Bewohnern der Luft vielgestaltig vorkommen, den bekannten mittelalterlichen

1 Als deutsche Kunsterzeugnisse romanischen Styles müssen auch betrachtet werden die Bronzethüren
im Dom in Aachen, Augsburg, Hildesheim, das eherne Taufbecken in der St. Barthelemey Kirche zu
Lüttich.

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