Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1968/0199
Besprechungen

Die Verhandlungen im Staatenausschuß lassen deutlich erkennen, warum sich die unitarische
Lösung für den Staatsaufbau nicht durchsetzen konnte und warum die Zerschlagung
oder Teilung Preußens, die viele und auch einflußreiche Befürworter hatte, nicht vorgenommen
wurde (u.a. auch außenpolitische Gründe!). Die Verhandlungen im Verfassungsausschuß
über die föderative Grundstruktur des neuen Staatswesens wurden nicht unwesentlich
beeinflußt von den Vorgängen in Bayern. Bei der Schilderung derselben zeigt
sich einmal ganz deutlich, daß der Autor manchmal recht ungenau und in leicht pejorativem
Tonfall über politische Erscheinungen jener Zeit hinweggeht. Über die Gründung der
bayerischen Einwohnerwehren heißt es zum Beispiel (S. 182): „Auf dem flachen Lande hatten
sich schon seit längerem Gruppen gebildet, die sich „Einwohnerwehren" oder „Bürgerwehren
" nannten, deren militärischer Wert freilich noch zwischen dem einer Stammtischrunde
und einer Milizeinheit schwankte ..."

Nach der Aufzeigung des Ringens parlamentarischer und außerparlamentarischer
Kräfte um Aussehen und Gestalt des Staatsaufbaus der Weimarer Demokratie, wie er dann
in der Reichsverfassung vom 11. August 1919 gesetzlich fixiert wurde, legt der zweite Teil
des Buches die Reich-Länder-Beziehungen in den harten ersten fünf Jahren der jungen
Republik dar. Diese lassen sich in eine zentralistische Anfangsphase der Reichspolitik
(Finanzreform des Reichsfinanzministers Matthias Erzberger) gliedern und in eine wesentlich
längere Phase der Dezentralisation (Denkschriften des ehemaligen Kasseler Oberbürgermeisters
Erich Koch und des ehemaligen preußischen Innenministers Drews), der Autonomiebestrebungen
(Ostpreußen und Rheinland) und der durch mehrere vorangegangene Konflikte
verhärteten partikularistischen Tendenzen, welche im Schicksals jähr 1923 ihren Höhepunkt
fanden.

Der dritte und letzte Teil der Untersuchung, der die entspannteren Jahre 1924-30 zum
Thema hat, beginnt mit der Diskussion über die bayerische Denkschrift von Anfang 1924
über eine Revision der Verfassungsverhältnisse im Reich. Der Wunsch der bayerischen
Regierung nach einer Totalrevision der Weimarer Verfassung schwächte sich in der öffentlichen
Erörterung bald zu einer Reichsreform durch Fortbildung und Änderung einzelner
Teile des Verfassungswerks ab, verdichtete sich aber im Laufe der Jahre zu einem gemeinsamen
Programm der Länder, das der 1928 eingesetzte Verfassungsausschuß der Länderkonferenz
in langwierigen und wechselhaften Verhandlungen ausarbeitete. Der Kompromiß
sah vor, in Norddeutschland den Einheitsstaat zu verwirklichen, d. h. Preußen sollte seine
bisherigen Provinzen „als Selbstverwaltungskörper in unmittelbare Reichsverwaltung überführen
, während für die kleineren Länder die Möglichkeit ihrer Eingliederung durch einfaches
Reichsgesetz vorgesehen war" (S. 592). Wie bisher bestehen bleiben sollten nur die
süddeutschen Staaten Baden, Württemberg und Bayern und außer diesen noch Sachsen.

Die über Jahre hinweg dauernde öffentliche Diskussion einer Reichsreform wurde nicht
unwesentlich beeinflußt durch das preußische Problem (Pläne des Zentrums zur Schaffung
eines „Reichslandes" Preußen) und die Verwaltungsvereinfachungspläne, angeregt und beeinflußt
durch Reichssparkommissar Saemisch. Beiden Punkten hat der Autor deshalb zwei
gesonderte Unterkapitel gewidmet.

Eine ausführliche und detaillierte Bibliographie sowie in Faksimile wiedergegebene
Dokumente zu einzelnen Kapiteln des zweiten und dritten Teils des Buches bilden Anhang
und Abschluß dieses ersten Bandes der Gesamtdarstellung.

Die mehr kommentierende Geschichtsdarstellung des Verfassers bewirkt, daß der Leser
selten genau weiß, ob nun ein Sachverhalt dargestellt und erklärt wird oder ob hier nur
auf als bekannt vorausgesetzte Vorgänge hingewiesen wird, z. B. bei der Erwähnung der
sozialpolitischen Maßnahmen des Rates der Volksbeauftragten im November 1918. Auf
jeden Fall wird der Neugierige und Interessierte, der das Buch zur Hand nimmt, gut daran
tun, sich vorher einige Kenntnisse über die allgemeine Geschichte jener Zeit zu verschaffen,
bevor er sich daran macht, der Darlegung in ihrem komplizierten und trockenen Stil zu
folgen. Bald wird er jedoch durch die besonderen Vorzüge der Untersuchung entschädigt

197


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1968/0199