Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1969/0071
Auswanderung nach Südosteuropa

haben oder seine Leibfreiheit beweisen. Der Leibfreie erhielt eine entsprechende
Bescheinigung gegen eine „Recognitionsgebühr" ohne weiteres und damit die Erlaubnis
, wegzuziehen. Im 17. Jahrhundert gab es allerdings außerhalb „leibfreier"
Orte, wie es die meisten Städte und sonst nur wenige Orte waren, kaum noch
leibfreie Untertanen. Die größeren Herrschaften hatten seit der zweiten Hälfte
des 16. Jahrhunderts allmählich nur dann Fremde (aus anderen Herrschaften) als
Bürger aufgenommen und zum Grunderwerb zugelassen, wenn sie sich leibeigen
ergaben55. Wer kein Bürgerrecht besaß, wurde allenfalls als Hintersasse gegen
Widerruf geduldet. Ausnahmsweise hatte die Grafschaft Sigmaringen 1682 Ankömmlingen
, die sich aus anderen Herrschaften losgemacht hatten, freigestellt,
sich leibeigen zu ergeben oder frei zu bleiben; das Institut der Leibeigenschaft zu
beseitigen, war - wie ausdrücklich betont wurde - damit keineswegs beabsichtigt55.

Leibeigenschaft

Die große Masse der Bevölkerung war leibeigen. Diese Eigenschaft entstand
durch Geburt von leibeigener Mutter oder durch Ergebung.
Die Leibeigenschaft beinhaltete

— die Verpflichtung zur Schollensässigkeit, die nur der Grundherr lösen konnte;

— die Verpflichtung zur Zahlung des „Todfalls", also einer Kopf-Erbschaftssteuer
im Werte des „Besthaupts", d. h. des besten Stück Viehs im Stalle oder
- bei der Frau - des Kleiderfalls im Werte des besten Kleides (Kirchenkleids);

— die Zahlung einer Anerkennungsgebühr in Gestalt eines jährlich zu Fastnacht
zu liefernden Huhns („Fastnachtshuhn" oder „Leibhenne" genannt) oder seines
Wertes (meist 8-10 Kreuzer) vor allem bei Aufenthalt in fremder Herrschaft,
um die Leibuntertänigkeit nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.

Das Recht auf Frondienste und die Dienstpflicht der Eigenleute beruhten nicht
auf der Leibes-, sondern auf der Gerichtsuntertänigkeit und Gewohnheitsrecht.
So bedeutete die Leibeigenschaft des Spätmittelalters eigentlich nur eine Sicherung
für das Vorhandensein genügender Arbeitskräfte und eine Besteuerungsquelle.

Lösung der Leibeigenschaft

Von der Leibeigenschaft konnte man sich lösen; man mußte es, wenn man die
bisherige Herrschaft für immer verlassen wollte. Auf die Entlassung bestand kein
Anspruch; (einen gewissen Anspruch gewährte der Westfälische Frieden im Falle
der Auswanderung aus Religionsgründen57); sie war Gnadenakt - jus gratiale -
des Grundherrn, wurde selten versagt, konnte aber an Bedingungen geknüpft
werden. Eine solche war die Entrichtung einer Gebühr, die jederzeit vom Belieben
der Herrschaft bestimmt wurde, nach Köpfen oder nach Vermögenswert. Sie sollte
eine Entschädigung bilden für den Fortfall der Einnahme, die beim späteren Todfall
sonst zu erwarten gewesen wäre. Bei armen Leuten erließ man auch wohl
solche Gebühr oder gab ihnen auf, für die Herrschaft zu beten. Eine weitere Bedingung
, die bei geistlichen Herrschaften, aber auch im Fürstenbergischen vorkam,
war die Klausel, die Entlassung sei ungültig, wenn der Betreffende sich einer
nichtkatholischen Herrschaft unterstelle. (Solche Klausel hätte zwar die Aufnahme

»« Tumbült (LV 42), Barth (LV 4).

'« FAS Sig 103/15-Thalheim. Erlaß vom 28. 2. 1682.

37 Instrumentum Pacis Westfalicae (IPW), Osnabrücker Frieden, Art. V, $$ 36, 37.

69


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1969/0071