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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1970/0120
Hugo Lacher

Liberalen ausübte, war zunächst die, daß sie sich nun selber mehr und mehr zu einer
Klassenpartei wandelten. Von unten bedrängt, wuchs aber auch das Bedürfnis nach
Anlehnung an den Norddeutschen Bund zur Absicherung der eigenen gesellschaftlichen
und politischen Stellung. So entsprang das Gesuch des liberal regierten Badens
im Herbst 1867 um Aufnuhme in den Norddeutschen Bund nicht nur nationaler
Ungeduld, sondern ist auch als das „unverhohlene Hilfegesuch" 38 einer Regierung
zu werten, deren Rückkehr zu einer „neopatriarchalischen Regierungsweise" nun
selbst in den eigenen Reihen auf Kritik stieß. Und schließlich verloren sie, indem
sie auf diese Weise auf Bismarck setzten, in der Sprache der Opposition „bismarckischer
als Bismarck" wurden M, den letzten Rest an Elan, im Hinblick auf eine
gesamtdeutsche Verfassung Forderungen im Sinne des 48er Liberalismus zu stellen.
Sie wurden, wie neuerdings formuliert wurde, zu „reinen Erfüllungsgehilfen"
Bismarcks40.

Ähnlich reagierten die „Partikularisten". 1868 gestand Württemberg das allgemeine
Wahlrecht zu. Die Folge war, daß — anders als im Bereich des Norddeutschen
Bundes und anders auch als von der Regierung erwartet - schon die erste Wahl nach
dem neuen Stimmrecht den Demokraten die Mehrheit brachte 41. Wie die Regierung
reagierte, konnte dann der preußische Gesandte in Stuttgart, Freiherr von Rosenberg
, an Bismarck berichten: „Das nationale Bedürfnis wird in demselben Maß bei
der württembergischen Regierung hervortreten, als die Demokratie ihr Verlegenheit
bereitet". Rosenberg stützte sich auf Äußerungen der Minister von Varnbühler und
Mittnacht, die erklärt hätten, daß die Regierung „es leichter und vorteilhafter finden
könnte, sich mit Preußen zu verständigen als mit der Demokratie zu zanken" 42.
Ähnlich steifte sich und ihrem König die Ministerialbürokratie in Bayern den
Rücken. Die Krone Bayerns sei durch Konzessionen an das Haus Hohenzollern weit
weniger gefährdet als durch ständiges Nachgeben gegenüber den Häusern Kolb und
Greil43. Greil war Patriot und Kolb, Pfälzer und Neubayer, einer der bekanntesten
Demokraten Süddeutschlands. In Baden erstreckte sich das Bedürfnis nach Herrschaftssicherung
auf Fragen, die scheinbar gar nichts damit zu tun hatten. So setzten
sich der Großherzog und seine Regierung von Beginn des Krieges an für eine
Annexion von Elsaß-Lothringen durch Preußen ein, damit Baden nicht länger unter
schweizerischem und französischem Wind liege **, einem Wind, der seit Jahrzehnten

38 Gull: Liberalismus. S. 418.

39 So Reinhold Baumstark in seiner Schrift „Die katholische Volkspartei in Baden und ihr Verhältnis
zum Kriege gegen Frankreich". Freiburg 1870. S. 11.

40 Galt: Liberalismus. S. 478 .

41 S. Rosemarie Menzinger: Verfassungsrevision und Demokratisierungsprozeß im Königreich Württemberg
. Ein Beitrag zur Entstehungsgeschichte des parlamentarischen Regierungssystems in
Deutschland. Stuttgart 1969. S. 66.

4! S. Die auswärtige Politik Preußens 1858—1871. Diplomatische Aktenstücke. 10 Bde., Berlin
1933-45. Bd. 10. Nr. 93. S. 116.

43 So in einem Brief des Referenten im Justizministerium und späteren Justizministers Fäustle an
Kabinettssekretär Eisenhart vom 16. Nov. 1870. Ein sich isolierendes Bayern würde zum Spielball
der patriotischen und der rasch sich entwickelnden demokratischen Partei werden. S. Doeberl:
Bayern. S. 127.

44 S. Josef Becker: Baden, Bismarck und die Annexion von Elsaß und Lothringen. In: Zeitschrift für
die Geschichte des Oberrheins. Bd. 115 (1967) S. 180. Umgekehrt hofften die Katholiken auf die
„schöne Acquisition" des Elsasses. Denn seien die Elsässer, katholisch und demokratisch, erst bei
Baden, dann könnte man es denen in Karlsruhe zeigen.

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