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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1970/0123
Süddeutschland und die Reichsgründung

Süddeutschland verantwortlich gemacht wurde: „Lebt die deutsche Frage nicht sehr
bald und mit aller Entschiedenheit wieder auf, so geht der Prozeß der
Zerbröckelung unaufhaltsam weiter, und in noch einmal drei Jahren ist Bayern
ganz und gar in den Händen der Pfaffen", warnte Ende 1869 Freiherr von Werthern
53. Ähnliche Alarmrufe kamen aus Württemberg wie aus Baden, wo Bismarcks
Nein zu einer separaten Aufnahme des Landes in den Bund zunehmend Verwirrung
unter den Preußenfreunden stiftete, während die Opposition Auftrieb bekam. Angesichts
dieser Entwicklung und angesichts der drängenden Ungeduld der Nationalpartei
drohte sich somit die Taktik des Abwartens gegen Bismarck zu kehren **.

In diese Situation der Stagnation, der Rückschläge und wohl auch der erschöpften
Mittel fiel nun das spanische Angebot, mit dem Staatsrat Don Salazar
am 26. Februar 1870 an Bismarck herantrat55. Dieser hat nach kurzer Überlegung
zugegriffen. Eine nicht geringe Rolle spielte die Ankündigung des spanischen Unterhändlers
, bei einer Ablehnung würde die Krone einem bayerischen Prinzen angeboten
5C. Damit verquickte sich die Entwicklung in Bayern unmittelbar mit der
Affäre Thronkandidatur. Am 14. Februar 1870 hatte Hohenlohe seinen Rücktritt
angeboten, nebenbei nicht ohne Beteiligung von fünf Prinzen, die im Reichsrat
gegen ihn gestimmt hatten ". Am Tag danach bat Bismarck Werthern, alles zu tun,
um Hohenlohe zu halten, denn müsse dieser gehen, bestehe die Gefahr, daß auch
der entmutigte König abdanke58, ein König überdies, dessen „sehr reizbares
Souveränitätsgefühl" 5' Bismarck als wesentlichen Aktivposten, über den Bayern

«* Bismarck: Gesammelte Werke Bd. 6b. S. 181.

54 Bismarcks Gespräch noch am selben Tag mit Moritz Busch zeigt, daß sich Bismarck dessen bewußt
war. Die deutsche Frage sei in gutem Gange, nur sie brauche Zeit, „ein Jahr, vielleicht fünf
Jahre — zehn möglicherweise". Er könne die Zeit nicht schneller machen, »und diese Herren
auch nicht. Aber sie können nicht warten". Bd. 7. S. 306.

55 Zur spanischen Thronkandidatur und ihre Folgen s.Jochen Dittrich: Bismarck, Frankreich und
die spanische Thronkandidatur der Hohenzollern. Die „Kriegsschuldfrage" von 1870. München
1962. In gedrängter Form: Ursachen und Ausbruch des deutsch-französischen Krieges 1870/71.
In Reichsgründung. S. 64—94. Dann Lawrence D. Steefel: Bismarck, the Hohenzollern-Candidacy,
and the Origins of the Franko-German War of 1870. Cambridge, Mass. 1962. Und schließlich
mit den letzten Literaturangaben Eberhard Kolb: Der Kriegsausbruch 1870. Politische Ent-
scheidungsprozesse und Verantwortlichkeiten in der Julikrise 1870. Göttingen 1970.

5* S. Immediatbericht Bismarcks an König Wilhelm vom 9. März 1870, Gesammelte Werke Bd. 6b.
S. 273. Eindeutig die Furcht Bismarcks vor einer Dynastie in Spanien, „welche ihre Anlehnung
in Frankreich und Rom suchte, mit den antinationalen Elementen in Deutschland Fühlung behielte
und ihnen einen, wenn auch entfernten, doch sichern Anhaltspunkt darböte". Ebd. Den
realen Hintergrund für Bismarcks Befürchtungen bildeten u. a. die seit Jahren währenden Annäherungsversuche
der Mächte Frankreich, Italien und Österreich, die schließlich zu Bündnisverhandlungen
und zu einem Vertrag führten, der dann freilich nicht in Kraft trat. Dazu
Heinrich Potthoff: Die deutsche Politik Beusts von seiner Berufung zum österreichischen Außenminister
Oktober 1866 bis zum Ausbruch des deutsch-französischen Krieges 1870/71. Bonn 1968.
Bes. S. 262 ff. Der Vertrag vom 20. Mai 1869 (Traiti a trois), der nach Art. V »une alliance
offensive et defensive" vorsah, und das „Protocole entre les trois puissances" sind wiedergegeben
bei Hermann Oncken: Die Rheinpolitik Kaiser Napoleons III. von 1863 bis 1870 und der Ursprung
des Krieges von 1870/71. 3 Bde., Stuttgart-Berlin-Leipzig 1926. Bd. 3. S. 185 ff.

57 S. Gottfried v. Böhm: Ludwig II. König von Bayern. 2. Aufl., Berlin 1924. S. 223. Lediglich
Herzog Karl Theodor stimmte für die Regierung.

58 Erlaß an Werthern vom 15. Febr. 1870. Bismarck: Gesammelte Werke Bd. 6b. S. 244. Bismarcks
Rat: eine weitere Kammerauflösung und einen Pairsschub.

5* Vgl. das Schreiben Bismarcks an König Wilhelm vom 20. Nov. 1869. Gesammelte Werke Bd. 6b.
S. 167.

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