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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1973/0184
Neues Sdirifttum

Um den Pflichten eines Rezensenten Genüge zu tun, müßten auch zwei Druckfehler
moniert werden (S. 288: „Arbeitgeber"; S. 389: „Gervinius", statt „Gervinus"). Der
Leser hätte es auch dankbar begrüßt, wenn sich der Verfasser zu einem Personenregister
mit knappen biographischen Daten aufgerafft hätte. Selbstredend ließen sich auch im Blick
auf die Auswahl der Texte Desiderate anmelden. Es gibt z. B. keine einleuchtenden Begründungen
, um die ständischen Prägungen von Schule und Bildung auszuklammern oder die
Widerstände und Affekte des humanistisch gebildeten Bürgertums gegen die industrielle Revolution
unberücksichtigt zu lassen. Das Buch enthält auch keine Texte, welche ökonomische
und politische Zusammenhänge verdeutlichen. Soweit ich sehe, ist auch kein Text publiziert
worden, der von Praktikern des technischen Fortschritts herrührt. (Auch Industriepioniere
haben Tagebücher geschrieben und von ihren technischen Erfindungen und ökonomischen
Risiken Rechenschaft gegeben). Was die Welt des Handwerks anbetrifft, sind bei R. Stadelmann
-W. Fischer: Die Bildungswelt des deutschen Handwerkers um 1800. Berlin 1955,
biographische Quellen verarbeitet, welche die „Dokumente und Skizzen" von Pols hätten
ergänzen und abrunden können. Auch der scharf beobachtende und weitgereiste Wilhelm
Heinrich Riehl (1823-97) hätte manchen färben- und nuancenreichen Text über gesellschaftliche
Realitäten des 19. Jahrhunderts beisteuern können.

Das Buch von Pols erhebt nicht den Anspruch, eine wissenschaftliche Quellenedition
par excellence zu sein. Es ist auch nicht ausschließlich der wissenschaftlichen Neugierde des
Fachhistorikers zugedacht, sondern wendet sich an den historisch Interessierten im weitesten
und besten Sinne des Wortes. Die Arbeit kann ihm wertvolle Hilfen an die Hand geben,
um Gegenwart in ihrem geschichtlichen Gewordensein einsichtig zu machen. Für den wissenschaftlich
arbeitenden Sozial- und Wirtschaftshistoriker stellt das Buch Quellenzeugnisse
bereit, die geeignet sind, den historischen Aussagewert statistischer Daten zu ergänzen und
zu erhärten. Dem Lehrer bietet es griffige Arbeitstexte für einen sozial- und wirtschaftsgeschichtlich
orientierten Geschichtsunterricht. Die Arbeit ist in der Tat geeignet, die Beschäftigung
mit Vergangenem und Gegenwärtigem „zu einem permanenten Lernprozeß zu
machen" (S. VIII).

Tübingen Klaus Schreiner

Ulrich Neth: Standesherren und liberale Bewegung. Der Kampf des württembergischen
standesherrlichen Adels um seine Rechtsstellung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
. Stuttgart: Müller und Gräff. 1970. XXVI, 372 S. (Schriften zur südwestdeutschen
Landeskunde 9).

In einer Zeit, die sogenannte Privilegien unter dem Stichwort der „Demokratisierung"
abzubauen sucht, die statt durch Revolutionen den Rechtszustand auf dem Wege der Reformen
verändern will und in der starke Tendenzen bestehen, den grundsätzlichen Gegensatz
zwischen Freiheitsrechten und Gleichheitsrechten zugunsten der Gleichheit aufzulösen,
erscheint es besonders reizvoll, anhand eines historischen Lehrstücks den Streit um die Behauptung
von Sonderrechten im Zeitalter der sozialen Realisation (Forsthoff, Staat der Industriegesellschaft
, 1971, S. 31 ff.) in seinem geschichtlichen Ablauf zu verfolgen. Wenn
Rechtsgeschichte die Geschichte des Weges zur Freiheit und zum Bewußtsein davon, d. h.
des Aufsteigens immer neuer Schichten zur Freiheit, sein soll (Heinrich Mitteis), so läßt
sich dies beispielhaft am Problem der Beseitigung adelständischer Vorrechte im vorigen
Jahrhundert ablesen. Das Bestreben der mediatisierten Reichsfürsten, ihre korporativen
und individuellen Rechte gegenüber den die Napoleonische Flurbereinigung überlebenden
und ehemals gleichgestellten Landesherren zu wahren, offenbart sich zugleich als ein Kampf
um die politische und soziale Stellung des hohen Adels und die (agrar)wirtschaftliche
Grundlage seiner Existenz; er läßt zudem den Mechanismus in der Durchsetzung von
Gruppeninteressen am historischen Modell in all seinen Verästelungen exemplarisch aufleuchten
. Und er zeigt, wie in der deutschen Verfassungsgeschichte die einzelnen Epochen

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