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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1973/0192
Neues Schrifttum

tungsgebiet mit dem der altweltlichen Hochkulturen identisch sei. Charakteristisch für ihn
sei der Getreidebau und die Großviehzucht sowie die Heranziehung der großen Haustiere
(Rind, Pferd, Esel, Kamel) zur Arbeitsleistung. Sehr detailliert informiert Werth über die
Feldbaugeräte und ihre technische Entwicklung (zum Beispiel über den Grabstock, der
- und nicht die Hacke - das wichtigste und universale Gerät des Hackbaus und gleichzeitig
die Urform des Spatens sowie - in Kombination mit einer Zugvorrichtung - des
Pfluges ist, oder über Sense, Sichel, Beil und über Entstehung, Entwicklung und Verbreitung
der verschiedenen Pflugformen). Ausführlich werden auch die mit den verschiedenen
Stufen der Entwicklung des Landbaus einhergehenden Techniken und Gewerbe (etwa:
Töpferei, Weberei, Brauerei, Handel), die verschiedenen Transporttiere und die Erfindung
der Fahrgeräte beschrieben. Ein eigenes - wohl das interessanteste - Kapitel ist der Verknüpfung
des Ackerbaus und der Viehzucht mit religiös-mythischen Vorstellungen gewidmet
. Eine besondere Rolle spielen hier Mond und Sonne sowie heilige Tiere wie Rind,
Katze und Lamm - Nachwirkungen dieser Vorstellungen sind heute noch im Christentum
feststellbar.

Vieles an Werths Buch war schon bei seinem Erscheinen veraltet und ist es heute noch
viel mehr: so die Schilderung des bäuerlichen Lebens in der Sowjetunion oder Japan, die
Abbildungen, die Zustände und Grenzen um 1914 zeigen, die schwerpunktmäßig aus dem
ersten Drittel unseres Jahrhunderts stammende zugrundegelegte Literatur und die oft an
einen kaiserlich-deutschen Kolonialoffizier erinnernde Mentalität und Ausdrucksweise des
Autors (Kultur kann zum Beispiel bei ihm „verniggern"). Völlig hinweggegangen ist die
wissenschaftliche Forschung über Werths auf Eduard Hahn beruhendes Grundkonzept der
Entstehung und Entwicklung des Ackerbaus und über seine Methode, die Historie nur als
Material zur Belegung seines Systems zu gebrauchen. Daß er dabei Tatbestände vereinfachte
oder preßte, sah er wohl gar nicht. Nur ein Beispiel: Nach Werth ist etwa der
Pflugbau vor circa 6000 Jahren in Nordwestindien aus dem Hackbau entstanden. Von
dort strahlten sieben verschiedene „Pflugbau-Kulturströme", deren jeder ein eigenes Gespanntier
, eine besondere Form des Pfluges und eine Hauptgetreideart hat, aus. Einer
dieser Ströme führte, die Indogermanisierung bewirkend, zur Entstehung des Pflugbaus
in Europa. Die Entwicklung wird heute für ein Detailproblem wie dieses wesentlich vielgestaltiger
gesehen (vgl. etwa E. Wahle in HZ 181, 1956, S. 600 ff. und das unten aufgeführte
Werk vom Jankuhn).

All dies schmälert jedoch kaum den Wert des reichlich mit Abbildungen und Zeichnungen
des Verfassers versehenen Buches, dessen Inhalt hier nur angedeutet werden konnte.
Abgesehen vom Reiz, den ein geschlossenes, in sich logisches und konsequent ausgeführtes
Gedankengebäude wie das Werths immer haben wird, ist sein Werk auch als unerschöpfliche
Fundgrube für den spezieller Interessierten wichtig. Das ungemein reiche ethnographische
und naturwissenschaftliche Material ist allerdings angesichts der oft unüberschaubaren
Anordnung und des Fehlens eines Registers nur dem geduldigen und mit viel Zeit ausgerüsteten
Leser erreichbar ...

Doch zurück zu dem Leser, der andere Bedürfnisse als die der Reflexion über die
Entstehung und Entwicklung des Ackerbaus vor Tausenden von Jahren hat, der nach umfassender
Unterrichtung über den Gang der deutschen Agrargeschichte oder Detailinformationen
zu speziellen Problemen aus diesem Bereich sucht. Ihm kann uneingeschränkt
die von Günther Franz herausgegebene fünfbändige „Deutsche Agrargeschichte" empfohlen
werden. Es handelt sich hier um das Standardwerk schlechthin. Es ist von ersten Fachleuten
verfaßt und zeichnet sich durch die Heranziehung der gesamten zur Verfügung
stehenden Literatur aus. Die Darstellung ist durch die Verarbeitung der neuesten Forschungsergebnisse
abgesichert und bleibt im allgemeinen auch dem Nicht-Fachmann verständlich
. Durch übersichtliche Gliederung des Stoffes, der durch Register gut erschlossen
und durch reichliche bibliographische Hinweise, durch Illustrationen im Text und Bildtafeln
vorzüglich ergänzt wird, wird die Arbeit des Benutzers beträchtlich erleichtert. Es
ist unmöglich, die Fülle des auf über 1600 Seiten Gebotenen auch nur kurz vorzustellen.

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