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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1976/0192
Frey tag Löringhoff

während eines ruhigen Morgenrittes durch die Prärie im März 1877, ihn ein metaphysischer
Gedanke geradezu überfiel, eine blitzartige Erleuchtung, die, er nannte
das seinen Tag von Damaskus, aus dem Saulus einen Paulus, sprich aus dem Arzt
und Naturwissenschaftler einen Philosophen, einen Metaphysiker machte. Seine
physikalischen Gedanken und Pläne schienen ihm in dieser einen Erkenntnis ihre
viel einfachere, allgemeinere Erfüllung zu finden. Er wollte nun ganz Philosoph
werden und brach kurz entschlossen seine Zelte in Amerika, wo das unmöglich gewesen
wäre, ab. Von jetzt an war für ihn Philosophie das Wichtigste auf der
Welt. Dieses hohe Engagement des wahrhaften Dilettanten im guten Sinne des
Wortes ist ein Lebenselement der Philosophie, und es spricht aus jeder Zeile von
Alfons Bilharz, mitreißend für jeden unbefangenen Leser.

Schon im nächsten Jahr, 1878, kehrt er mit seiner Frau und vier Kindern in die
Heimat zurück, um seine neue Weltanschauung niederzuschreiben und zu publizieren
.

Wieder im nächsten Jahr ist es so weit. Er hatte inzwischen eiligst seine
Kenntnisse in der Philosophiegeschichte einigermaßen aufgefüllt, hatte neben
Kant vor allem Schopenhauer mit Gewinn durchgearbeitet. Es erscheint sein erstes
philosophisches Werk „Der heliozentrische Standpunkt der Weltbetrachtung". Es
beginnt mit einem gedrängten, sehr eigenwilligen, in sich interessanten Gang
durch die Geschichte der Philosophie im Hinblick auf das Problem Sein und Denken
. Dann wird der eigene Standpunkt entwickelt, beginnend mit einer sehr
schwer verstehbaren Grundlegung der Physik, sich fortsetzend bis hin zur Ethik
und Moral. Sehr schöne und verständliche Gedanken finden sich besonders in den
vielen Anmerkungen, die den systematisch trockenen Text begleiten. Im ganzen
mußte ein solches schwer lesbares Buch aber ein Mißerfolg werden.

Sein Grundgedanke, wie der aller späteren Werke, ist jene Erleuchtung, die
Bilharz zum Philosophen machte. Wir wollen versuchen, wenigstens sie zu verstehen.

Auslösend war, wie gesagt, Kants transzendentale Ästhetik gewesen. Voller
Zustimmung hatte sich Bilharz Kants Wort „Spatium aliquid subjectivi", die bloße
Subjectivität unseres Raumes, zu eigen gemacht. Dann aber stand er vor der
Frage, wie Erfahrungsdinge, Erscheinungen in diesen Raum hineinkommen und
Grundlage von sich bewährender, wahrer Erkenntnis werden können, sie, die doch
dann Schein und nicht Sein sind. Wie kommt das Denken in der wahren Erkenntnis
zur Deckung mit dem Sein? Wo ist dieses selbst greifbar? Das ist die alte
Grundfrage der Erkenntnislehre. Die für Bilharz so erlösende Antwort hieß: „Im
vorbewußten Seinsgefühl des Menschen ist auch sein Seinswesen enthalten."

Das ist im Grunde cartesisch gedacht, hat mit dem berühmten „Cogito ergo
sum" Descartes zu tun, kehrt ihn aber um zu einem „Sum ergo cogito" und gibt
dem Denker so die im nachkantischen Idealismus verloren gegangene Seinsgewißheit
zurück, vorerst für das eigene Sein des Subjectes. Von hier aus baut nun Bilharz
eine zwar kritische und transzendentalistische, also viel von Kants System
übernehmende, aber auf einer realistischen metaphysischen Grundüberzeugung ruhende
Erkenntnistheorie auf, und im Anschluß daran eine Gesamtweltanschauung.

Er versucht, ähnlich wie Schopenhauer, auf den er sich oft, vor allem kritisch,
beruft, dem „Ding an sich" Kants die pure Negativität zu nehmen, hält aber
Schopenhauers Weg, es mit dem „Willen" zu identifizieren, für ein Abgleiten speziell
in die Psychologie. Er versucht es allgemeiner. Der erkennende Mensch ist
selbst ein Teil des Seins, das sich in ihm in das objective und das subjective zer-

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