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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1976/0197
Alfons Bilharz

Stellung in der „Philosophie der Gegenwart in Selbstdarstellungen", ein aufschlußreiches
„Breviarium philosophicum" enthaltend und ein Portrait.

Insgesamt hat uns Alfons Bilharz also ein umfangreiches Werk hinterlassen,
von wenigen originellen Grundgedanken getragen, voll von eigenwilligen, interessanten
Nebengedanken auf vielen Gebieten, die verdienen würden, bemerkt und
weitergedacht zu werden. Es bedrückt mich, daß ich von diesem Reichtum hier
kaum etwas sichtbar machen kann.

Politisch hat er sich publizistisch geäußert zur berühmten Flottenfrage, zur
Frage des Zusammenlebens der Confessionen in Deutschland, zur Frage der Frauenemanzipation
. Zu letzterer enthält seine „Lehre vom Leben" (S. 384-394) noch
heute lesenswerte Ausführungen. In Bildungsfragen trat er entschieden argumentierend
für das humanistische Gymnasium ein. Nach dem ersten Weltkrieg sah er
die einzige Rettung Deutschlands und der Welt „in einer radikalen Befreiung von
der marxistischen Lehre bzw. den sie vertretenden Parteien", weil diese Lehre von
einem schweren Denkfehler ausgehe. Über Spenglers „Untergang des Abendlandes
", den Bestseller dazumal, urteilte er entrüstet: „Einen solchen geistreichen
Wahnsinn liest man bei uns! Solch ein Buch muß uns doch vollends den Garaus
machen, weil es verlangt, daß wir uns selbst aufgeben", schrieb er. Und von jeher
hatte er H. St. Chamberlains „Grundlagen des 19. Jahrhunderts", das bekanntlich
Hitler so stark beeinflußt hat, in seiner Oberflächlichkeit erkannt und verdammt.

Hier erhob also in den zwanziger Jahren ein alter Mann seine warnende Stimme
, mit Argumenten, die kaum einer verstand, mit einer Leidenschaft des Patriotismus
, die heute wenige würdigen.

Nur wenige Freunde waren ihm in fruchtbarer Diskussion geistig wirklich
nahe gekommen. Da ist zu nennen Portus Dannegger, ein Bautechniker, mit dem
zusammen er 1880 ein kleines kurioses Büchlein herausgab „Metaphysische Anfangsgründe
der mathematischen Wissenschaften auf der Grundlage der heliozentrischen
Philosophie dargestellt". Dieser Freund starb allzufrüh. Er hatte Bilharz
die Mathematik in eigenartiger Weise näher gebracht, und Nachwirkungen dieser
Freundschaft durchziehen dessen Werk bis zuletzt unübersehbar. Dann ist zu nennen
Wilhelm Gwinner, der bekannte Biograph Schopenhauers, Konsistorialrat,
Präsident der Schopenhauer-Gesellschaft. Ferner der Anglist und Philosophiehistoriker
Rudolf Metz, der einzige Philosophieprofessor unter den engen Freunden
der letzten Jahre. Er hat viel Vorzügliches, wenn auch in manchen Punkten Kritisches
über Bilharz geschrieben, hat sich vor allem bemüht, das Odium eines Scho-
penhauerianers von ihm zu nehmen, und hat den großen Nachruf in den Kantstudien
1925 verfaßt.

Ein besonders guter Freund und Gesprächspartner, besonders in Fragen der
Ästhetik, war ihm der Kunstmaler Gottfried Graf, Professor an der Kunstakademie
Stuttgart.

Eine Durchsicht des in Tübingen bewahrten Briefwechsels wird vielleicht noch
den einen oder anderen Namen erwähnenswert machen, aber sicher nicht viele.

Diese Einsamkeit im Geiste war wohl für Alfons Bilharz die große Enttäuschung
seines Lebens. War er doch aus Amerika gerade um der Hoffnung willen
heimgekehrt, am in Deutschland damals so besonders lebendigen philosophischen
Leben teilnehmen zu können, und zwar gebend und nicht nur nehmend.

Ansonsten lebte der unaufhaltsam Erblindende in völliger geistiger Frische,
menschlich wohlversorgt, sein Leben hier ruhig zu Ende, bis zuletzt seinen Gedan-

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