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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1976/0218
Neues Schrifttum

terat und Kunstkritiker, Julius Hausmann Kaufmann, Carl Deffner Fabrikant. „Volksmänner
"? Wohl eher eine Auslese, die dem einfachen Volk und seinen Bedürfnissen zu
fern stand. Symptomatisch vielleicht, daß es der Volkspartei mangels einer sozialen Programmatik
nicht gelang, die Arbeiterbewegung an sich zu binden. So haben die Massen
denn auch in Württemberg Anschluß bei anderen Parteien gesucht.

Die umfangreichste und wichtigste Arbeit zur Geschichte der politischen Parteien,
aber auch des politischen Denkens in den Jahren zwischen Revolution und Reichsgründung
ist die von Langewiesche. Er behandelt die vielfach wechselnden und schillernden
Beziehungen zwischen Liberalismus und Demokratie. Da sie wesentlich von den wirtschaftlichen
und sozialen Verhältnissen mitbestimmt wurden, gibt er in einem ersten Kapitel
einen Abriß der wirtschaftlichen Entwicklung. Dann beginnt er mit dem Jahr 1847,
seinen wirtschaftlichen Mißhelligkeiten und Hungerkrawallen, insofern ein guter Griff, als
sich hier noch vor der eigentlichen Revolution die ersten tiefergehenden Risse zwischen
zwei Gruppen zeigten, die beide aus derselben Wurzel kamen, der vormärzlichen Opposition
gegen den halbabsoluten Obrigkeitsstaat. Auf der einen Seite nun die Demokraten,
die die Unruhe im Land aufzufangen suchten, indem sie durch Zuerkennung des allgemeinen
Wahlrechts auch die sozial Schwächeren voll in den Staat integrieren wollten, auf der
anderen die Liberalen, die dies aus Furcht vor der Revolution kategorisch ablehnten und
gleichzeitig die Demokraten als Verbündete der Revolution denunzierten. Verfassungsrechtlich
: die einen wollten die Demokratie, die anderen die konstitutionelle Monarchie
mit ihren Sicherungen für den Vorrang von Besitz und Bildung. Langewiesche hat auf
diese Weise schnell die entscheidenden Prämissen für die Beurteilung des weiteren Weges
der beiden Gruppen gefunden. Immer noch und wiederholt Gemeinsamkeiten in der Abwehr
reaktionärer Bestrebungen, daneben aber auch ein schließlich bis zum Bruch gehendes
Rivalitäts- und Feindverhältnis in Fragen einer künftigen Staatsverfassung, wobei das
entscheidende Kriterium immer wieder die Einstellung nach unten sein sollte. Dazu kam
dann noch die nationale Frage, die das gegenseitige Spannungsverhältnis überlagerte, verdeckte
, mal entschärfte, schließlich aber doch bis zur vollen Entzweiung vertiefte. Nicht
zuletzt anhand dieser Frage und wie sie sich gerade darstellte - also Paulskirche, Reichsverfassung
, preußische Unionsbestrebungen, Wiederbelebung nach 1859, deutscher Krieg
und Zwischenkriegsjahre - hat Langewiesche die wechselseitigen Beziehungen zwischen
den beiden Gruppen aufgezeigt. Eine der wichtigsten Phasen die Jahre zwischen 1866 und
1870, in denen es dann ob der Frage ob Anschluß an den Norddeutschen Bund oder Südbund
resp. lieber Freiheit im eigenen Land als nationale Einheit und „Verpreußung" dann
unversöhnbar auseinanderging. Dabei besonders deutlich auf liberaler Seite eine neue Dimension
des Liberalismus, der sich in der Deutschen Partei neu organisierte, sich mit konservativen
Kräften verbündete, nahezu bedingungslos den Anschluß an den Nordbund
forderte, durch die nationale Aufwallung während des deutsch-französischen Krieges einen
gewaltigen Auftrieb erfuhr und im folgenden schließlich zum vorrangigen Träger des seinen
Interessen dienenden konstitutionellen Staates, des „Rechtsstaates als Klassenstaates"
wurde. Ebenso gravierend der Niedergang der Demokratie. Dieser Gang der Ereignisse ist
für den Verf. gleichzeitig der Rahmen, in den er - fast des Guten zu viel - einen ganzen
Katalog von Überlegungen stellt, zur politischen Haltung der beiden Richtungen und
ihrem Wandel, ihrem Staatsverständnis, zum Problem der Revolution, zur Typologie der
„Parteien", ihrem Aufbau, dem Wandel der Strukturen, der Anhängerschaft und in der
Hinterhand dann immer wieder die soziale Frage. Interessant dabei, daß sie um die Jahrhundertmitte
den eigentlichen Spaltpilz zwischen Liberalen und Demokraten darstellte,
um 1870 jedoch kaum eine Rolle spielte. Revolutionsfurcht, Sozialängste, wirtschaftliche
und soziale Bedingtheiten reichen also nicht aus, um die Bewegung des liberalen Bürgertums
nach rechts bis hin zu Persönlichkeiten, die 1848 weit links gestanden hatten, zu erklären
. Mit Recht hat daher Langewiesche die Bedeutung des Nationalstaatsgedankens
hervorgehoben. Das Fazit schließlich, daß sich das Bürgertum um 1870 gegenseitig soweit
gelähmt hatte, daß der Reformwille erlosch, bei den einen aus Schuld eines schieren Op-

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