Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
13(100).1977
Seite: 155
(PDF, 41 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1977/0165
Die Schülerselbstverwaltung in Sigmaringen

Bis 1918 kannte die Schule außer der Beteiligung von Schülern der beiden
obersten Klassen an der Pausenaufsicht keinerlei Mitwirkung der Schülerschaft bei
schulischen Belangen. Nicht einmal Klassenämter werden bekannt, mögen aber
dennoch bestanden haben. Auch die in der Dienstanweisung von 1910 angebotene
Möglichkeit, in den einzelnen Klassen Vertrauensschüler aufzustellen, war offenbar
nicht ergriffen worden.

Unter dem Datum des 27. November 1918 sandte das preußische Ministerium
für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung unter Minister Konrad Haenisch an die
„Leiter der höheren Lehranstalten für die männliche Jugend, die Leiter und Leiterinnen
der Lehrer- und Lehrerinnenseminare, Oberlyzeen, Studienanstalten und
Präparandenanstalten" des Preußischen Staates verbunden mit einem Erlaß die
beiden folgenden Aufrufe (U II 1967 und 1968 U II WU III) 12:

„An die Lehrer und Lehrerinnen der höheren Lehranstalten für die männliche
Jugend, der Lehrer- und Lehrerinnenseminare, Präparandenanstalten, Studienanstalten
und Oberlyzeen Preußens.

Die weltgeschichtlichen Ereignisse dieser Zeit können und dürfen an der höheren
Schule nicht spurlos vorübergehen. Sie stellen die Lehrerschaft vor neue erzieherische
Aufgaben, für deren Lösung wir einige Richtlinien geben wollen.

Im neuen freien Staat hat ein jeder völlige Freiheit der Überzeugung und Meinungsäußerung
, auch der staatliche Beamte, und es liegt uns fern, diese Freiheit
den Lehrern der uns unterstellten Schulen in irgendeiner Weise beschränken zu
wollen. Wegen seiner politischen Überzeugung und ihrer Betätigung außerhalb seines
Dienstes wird niemand von uns angefochten werden. Dagegen müssen wir
selbstverständlich verlangen, daß die genau umschriebenen Pflichten seiner beruflichen
Tätigkeit von dem Beamten treu erfüllt werden ohne Einmischung persönlicher
politischer Leidenschaften. Es ist uns nicht unbekannt geblieben, daß hier
und da in letzter Zeit von dieser Richtschnur abgewichen worden ist, und daß
auch im Unterricht von einzelnen Lehrern die politischen Fragen der Zeit zum
Gegenstand der Erörterung und einseitiger, leidenschaftlicher Entscheidung gemacht
worden sind. Wir begreifen solche Entgleisungen aus der Aufregung dieser
Tage und werden ihnen nicht weiter nachgehen. Wir müssen jedoch die Erwartung
aussprechen, daß fortan der Unterricht wieder durchaus im Geist wissenschaftlicher
Objektivität erteilt und nicht dazu mißbraucht werde, um vor einer
leider nur allzuwenig zum politischen Urteilen ausgerüsteten und zum Schweigen
gezwungenen Schülerschaft Streitfragen des Tages zum Austrag zu bringen, und
dies obendrein mit der Autorität des Lehrers.

Deutschlands furchtbare Niederlage stellt auch den Erzieher vor eine schwere
Probe der Einsicht und des Charakters. Es liegt nahe, nunmehr in der Jugend das
Gefühl von Haß und Rachsucht gegen unsere Feinde zu nähren und dabei des
Glaubens zu sein, daß man lediglich ein hochgesteigertes vaterländisches Empfinden
in der Jugend zu wecken suchen. Wir müssen uns aufs ernsteste gegen diesen
billigsten und mit ungeläuterten Trieben arbeitenden Patriotismus wenden. Haß

12 Staatsarchiv Sigmaringen (zitiert: StAS), Ho 339, Gymnasium Sigmaringen, Nr. 82.
Veröffentlicht im Zentralblatt für die gesamte Unterrichtsverwaltung in Preußen,
Jg. 1918, S. 710-716.

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