Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
13(100).1977
Seite: 189
(PDF, 41 MB)
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  (z. B.: IV, 145, xii)



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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1977/0199
Besprechungen

partnern (Eigenleute, Dienstmannen) verschiedener Rechts- und Herrschaftsverbände, zu
verhindern und zu ahnden suchten. Eine ständisch unebenbürtige Ehe bewirkte für den
freien Partner den Verlust seines freien Geburtsstandes, für die Kinder den Rechtsstand
des ständisch schlechtergestellten Elternteiles. „Ausheirat" von Eigenleuten, die mit
Grund- und Leibholden fremder Herren Ehen eingingen, galt gleichfalls als schweres
Rechtsvergehen. Hofrechte und grundherrliche Weistümer suchten deshalb das „Verbot
der Ungenoßsame" durch Strafandrohungen (Huldverlust, Strafen an Leib und Gut, Vermögenseinbußen
, erbrechtliche Nachteile) einzuschärfen.

Da aber das mit gleichbleibender Beharrlichkeit immer wieder ausgesprochene Verbot
der „Ausheirat" nichts fruchtete, sahen sich Leib- und Grundherren, die auf wirtschaftlich
einträgliche Leibrechte nicht verzichten wollten, gehalten, die permanenten Gesetzesübertretungen
zu „legalisieren". Deshalb bildeten sie „Genoßsameverbände", schlössen Verträge
zwecks Aufhebung der Ehebeschränkungen (sogenannte „Raub- und Wechselverträge") ab,
um die Grenzen, innerhalb deren sich ihre Herrschaftsbefohlenen einen Ehepartner suchen
konnten, auszuweiten. In diesen Verträgen wurde vereinbart, daß bei „Mischehen" die
Frauen in den Rechtsverband ihres Mannes überwechseln.

Der Autor untersucht die Anfänge und Vorformen dieses in lateinischen Quellen als
„paritas", „concordia" oder „consortium in contrahendo matrimonio" bezeichneten
Rechtsinstitutes und analysiert mit souveräner Kennerschaft insbesondere die zwei großen
„Ehegenoßsame" der nahezu 20 Gotteshäuser im alten Zürichgau und im Bodenseeraum
(vgl. die auf S. 139 in Form eines Schaubildes gegebene Übersicht). Innerhalb dieser „Genoßsameverbände
" konnten alle leibeigenen Leute straflos und ohne erbrechtliche Nachteile
„wiben und mannen". Abschließend macht sich der Verfasser noch grundsätzliche Gedanken
über die politischen Beweggründe dieser Vertragspolitik, die den leibeigenen Gotteshausleuten
rund um den Bodensee und südlich des Oberrheins beim Abschluß ihrer
Ehen größere Freizügigkeit und ein höheres Maß an Selbstbestimmung verbrieften. Er vermutet
, daß die großen Gotteshäuser am Bodensee und im Thurgau insbesondere deshalb
ihre leibherrlichen Rechte durch die Bildung von Heiratsverbänden zu sichern suchten,
um der „Bedrohung durch die habsburgischen Hausmachtpläne" (S. 148) wirksam zu begegnen
. Trifft diese Vermutung zu, dann wollten die an den „Genoßsameverträge" beteiligten
geistlichen Herren den von Habsburg in Gang gebrachten Staatsbildungsprozeß
durch die Territorialisierung ihrer eigenen Herrschaften unterlaufen.

Die Arbeit überzeugt durch ihre methodische Solidität, ihre behutsam-abwägenden
Quelleninterpretationen, die respektable Summe an neuen, weiterführenden Einsichten.
Das Buch erinnert an das wissenschaftliche Lebenswerk eines Mannes, der durch eine
stattliche Zahl grundlegender Aufsätze und Monographien unser Wissen von den Rechtsund
Sozialstrukturen Südwestdeutschlands und der Schweiz während des Mittelalters und
der Frühzeit bereicherte und vertiefte.

Bielefeld Klaus Schreiner

Dieter Werkmüller: Über Aufkommen und Verbreitung der Weistümer. Nach der Sammlung
von Jacob Grimm. Berlin: Erich Schmidt Verlag 1972. 190 S.

Vor nunmehr hundert Jahren ist die sechs Bände umfassende Weistümersammlung von
Jacob Grimm - freilich nicht mehr von ihm selbst - abgeschlossen worden, und sie
nimmt trotz ihres überholten Editionsstandes heute nach wie vor den Platz einer geradezu
klassischen, immer noch häufig benutzten Rechtsquellensammlung ein. Freilich hat sich die
Forschung inzwischen vom romantischen und nationalen Ansatz Grimms weit entfernt
und hat dessen Einschätzung dieser Quellengattung ein differenzierteres, aber auch kontroverses
Bild entgegengesetzt. Werkmüllers Buch ist in der Hauptsache der Entstehungsund
Wirkungsgeschichte der Grimm'schen Sammlung sowie dem aktuellen Stand der Weis-
tumsforschung gewidmet. Insoweit ist der Buchtitel irreführend, als er drei Viertel des

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