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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1978/0034
Kuhn-Rehfus

Bestimmungen, die gleichzeitig für das künftige Verhalten der Juden erlassen
werden, deuten vermutlich auf die Anlässe hin, die zu dem Pogrom geführt hatten.
Auslösend war die wirtschaftliche Konkurrenzsituation zwischen Juden und Christen
. Anscheinend kauften Juden gleich zu Beginn der Wochenmärkte bestimmte
wichtige und allgemein begehrte Produkte auf, wahrscheinlich für den Wiederverkauf
, also für ihre Handelstätigkeit, mit der sie ihren Lebensunterhalt verdienten.
Vielleicht übten sie auch den grundsätzlich für alle Bevölkerungsteile verbotenen
Fürkauf aus, d. h. den Wareneinkauf vor der „Außsteckung des Fähnlins", mit der
erst der Markt eröffnet wurde50. Außerdem handelten sie mit Hehlergut. Schließlich
gab es offenbar Streitigkeiten über die Frage, ob die Juden den für ihre Nahrung
bestimmten Fleischbedarf bei den christlichen Metzgern einkaufen mußten
oder aber selbst Schächten und vor allem das nach ihren religiösen Vorschriften
nicht zum Verzehr erlaubte Fleisch verkaufen durften. Hier wurde das in der
Zunftverfassung verankerte Recht der Metzger auf alleinigen Fleischverkauf
berührt.

Die vom Fürsten angeordnete Regelung, die die offenkundigen Mißstände abstellen
und die Spannungen zwischen den Parteien aufheben sollte, ist für die
Stellung der jüdischen Minderheit aufschlußreich:

1. Die Juden durften erst nach Ablauf einer Stunde nach Markteröffnung einkaufen
. Damit werden sie den Ausländern gleich- oder doch nahegestellt, die
zum Lebensmittelkauf den Hechinger Wochenmarkt besuchten und verschiedenen
Beschränkungen unterlagen51.

2. Weder Juden noch Christen durften sich mit gestohlener und verdächtiger
Ware befassen.

3. Die Juden sollten das zum Lebensunterhalt benötigte Fleisch bei den christlichen
Metzgern einkaufen, die es ihnen zum amtlich taxierten Preis überlassen
mußten. Offenbar war es nicht selbstverständlich, von Juden die gleichen
Preise wie von Christen zu verlangen, vielmehr wollte man anscheinend an
ihnen verdienen. Deshalb durften die Juden in solchen Fällen selbst schlachten
und sogar das ihnen zu essen verbotene Fleisch zu beliebigem Preis verkaufen.
Zum Schutz der zünftig organisierten Metzger der Stadt Hechingen vor unliebsamer
Konkurrenz war ihnen der Fleischverkauf freilich nur auf dem Land,
nicht in der Stadt erlaubt.

50 Fürstliche hohenzollerische Landesordnung von 1698, Artikel 74 (Staatsarchiv Sigmaringen
, Ho 1, C I, 2, Nr. 10).

51 Hechinger Marktordnung von 1600 (Staatsarchiv Sigmaringen, Hol, CI, 1, Nr. 9):
„Erstlich soll kein frembder Ußlender, so nit in die Grafschafft seßhafft, von Michaelis
bis auf Georgii [29. September bis 23. April] vor 10 Uhr, und dan von Georgii bis
Michaelis vor 9 Uhr weder auf dem Marckht noch vil weniger inn Dörffern, Strassen,
vor den Thoren noch haimblich in den Heusern etwas khauffen, es sei gleich Schmaltz,
Keß, Hennen, Hiener, Ayr, Genß und was sonsten auf den Marckht gebracht würdt, bis
gemelte Stunden verloffen seindt, ob schon einer wisentlich solliches nit zuem Für-
khauff, sonder in sein aigen Haußhaben brauchen thette."

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