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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1978/0092
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tanen sollten nun ihre Deputierten mit Stimmenmehrheit wählen. Die arithmetische
Mehrheit sollte das alte Prinzip ablösen, das durch eine Mischung von Herkunft
aus der Ehrbarkeit der Dörfer einerseits und landesfürstlicher Gunst
andererseits bestimmt war. Den Untertanen kam es somit darauf an, die Kollek-
tationskasse durch echte Vertrauensleute zu kontrollieren - eine Kasse, in der sie
sich gegenüber den Steuertabellen von Reich und Kreis ungerechtfertigt überfordert
fühlten. Die Kosten der Gesandtschaften, die hohenzollerische Vertretung
im schwäbischen Reichskreis - all dies hielten die Untertanen für überholt -,
damit übrigens wesentliche Attribute des Kleinstaats. Ihr Verdacht ging dahin,
daß sich ihr Landesherr stillschweigend und illegal aus dieser Kasse bediente,
deren Zwecke im Gefolge des Reichsabschieds von 1654 genau festgelegt worden
waren. So sollten die neugewählten Deputierten eine wirksamere Kontrolle ausüben
als die alten und zugleich einen rechtsgelehrten Syndikus konsultieren können
; damit hatten sich die Untertanen schon in Richtung auf die Praxis ausgebildeter
Landstände bewegt36.

Versammlungsrecht und Kontrolle der Steuern waren politische Forderungen
- sie resultierten aus den praktischen Erfahrungen der illegalen hohenzollern-
hechingischen Landschaft. Daneben blieben die alten Landesbeschwerden gegen
Wildschäden, gegen Jagd- und andere Fronden weiterhin lebendig. Das neue Denken
in naturrechtlichen Vorstellungen, wenn auch sehr popularisiert, äußerte sich
weiterhin in der erbitterten Opposition gegen die Leibeigenschaft. Dieses Relikt
mittelalterlicher Organisation im Personenverband, eine nicht mehr als sinnvoll
empfundene persönliche Abhängigkeit, war in seinen Funktionen völlig undurchsichtig
geworden. Weniger als die damit zusammenhängenden wirtschaftlichen
Lasten, wurde die Leibeigenschaft als sozial diskriminierend aufgefaßt. Hatte
noch um 1700 die Furcht dominiert, der Landesfürst würde die Leibeigenschaft
nach böhmischem Muster intensivieren und damit eine Verschlechterung der
sozialen Situation der Untertanen herbeiführen, so ging es nun vor allem gegen
den Rechtsstatus, der als anachronistisch und disqualifizierend empfunden wurde.
Die Beseitigung der Leibeigenschaft durch Josef II. hatte der Bewegung noch
beträchtlichen Auftrieb gegeben, auch wenn sie für das benachbarte Vorderösterreich
nicht sonderlich relevant war

Die Untertanen hatten in Wetzlar relativ rasch einen Erfolg erzielt: Das
Kammergericht untersagte am H.Januar 1793 das fürstliche Eisenmonopol, vor
allem aber gestattete es die Errichtung einer Vollmacht, eines „Syndikats". Wetzlar
hatte damit signalisiert, daß die Untertanen offensichtlich noch einmal eine
Chance hatten. Gleichzeitig aber war das erste Urteil ein ziemlicher Schlag für
die fürstliche Autorität. Die Reaktion der Regierung erwies sich als recht unklug,
denn sie suchte die Erstellung einer Vollmacht zu hindern, ein deutlicher Rechts-

36 Cramer: Grafschaft, S. 396 ff. Dazu auch der Bericht des württembergischen Rates
Reuß von 1794. Vgl. Anmerkung 55 a. Die Kataloge der ursprünglichen Forderungen
der einzelnen Gemeinden in: StAS, Ho 1-46, C II 2 b, 142. Deutlich ist die wechselseitige
Abhängigkeit bei der Redaktion erkennbar.

"Zu den Agrarreformen Josefs IL: R. Rozdolsky, Die große Steuer- und Agrarreform
Josephs II. 1961.

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