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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1978/0098
Press

Deshalb ist sein Vorgehen im einzelnen zu betrachten55. In erster Linie war es
Reuß darum gegangen, die Weichen so zu stellen, daß die Untertanen politisch
handlungsfähig wurden. Es kam dabei in hohem Maße darauf an, daß sie eine
Delegation zustandebrachten, die mit der fürstlichen Regierung zu verhandeln
vermochte. Reuß dachte zuerst an 12 bis 13 Männer, damit nicht die Aktionsfähigkeit
durch eine übermäßig große Zahl behindert wurde. Er wurde aber
rasch damit konfrontiert, daß die Gemeinden die sozialen Einheiten waren, die
den Bauern im Konflikt den entscheidenden Rückhalt boten. Zugleich wurde deutlich
, daß neben den allgemeinen Landesbeschwerden auch solche der einzelnen Gemeinden
existierten. So konnte der württembergische Rat nicht umhin, nahezu
allen Gemeinden einen eigenen Vertreter zuzugestehen - jede wollte repräsentiert
sein. Allein der Stadt Hechingen billigte er zwei Deputierte zu, was wiederum
Forderungen der größeren Gemeinden nach sich zog.

Unter der Hand hatte Reuß aber praktisch die Syndikatsbevollmächtigung in
die Benennung einer Landesdeputation zu Vergleichsverhandlungen umgebogen.
Die allgemeine Stimmung im Lande war freilich ganz auf den Erfolg fixiert, daß
die Untertanen ein Syndikat errichten konnten. Die jahrzehntelange Ausrichtung
auf den Konflikt führte zu hartnäckigen Forderungen nach Fortsetzung des Prozesses
- um so behutsamer mußte Reuß vorgehen. Zugute kam ihm allerdings, daß
die Untertanen natürlich jeden Affront gegen den Beauftragten des Kammergerichts
vermeiden wollten. Trotz eines abgrundtiefen Mißtrauens gegen den Landesherrn
und seine Räte erreichte der württembergische Rat schließlich den Konsens
des Landes zu den Vergleichsverhandlungen. Er versicherte einerseits, nichts zu
tun, was nicht für die fürstliche Familie und das Land günstig sei, zugleich setzte
er fest, daß der Vergleich dem Reichskammergericht zu Prüfung und Bestätigung
vorgelegt werden sollte. Dessen Ausspruch sollte dann den Charakter eines
rechtsverbindlichen Urteils haben. Dies war freilich ein Trick. Wer wollte zweifeln
, daß das Kammergericht einen Vergleich bestätigte, wie immer er ausfiel?

Interessant ist, daß Reuß mit dem zusätzlichen Problem kämpfen mußte, daß
sich einzelne Gemeinden keinesfalls einer Stimmenmehrheit in der Deputation
beugen wollten. Reuß versuchte die Quadratur des Zirkels insofern, als er für
jeden Deputierten eine absolute Vollmacht forderte, zugleich aber Majoritätsentscheidungen
in der Deputation nur dann für verbindlich erklärte, wenn sie das
ganze Land angingen. Bei Spezialbeschwerden sollte jedoch der Konsens der jeweils
betroffenen Gemeinde notwendig sein. So sehr es Reuß ablehnte, mit den
einzelnen Gemeinden in Verhandlungen einzutreten, so war er doch bereit, ein
Ventil zu öffnen, indem er den Deputierten Berichte an die Mitbürger erlaubte.
Reuß mußte zudem bald einsehen, daß sich die Beschwerden der Untertanen nicht
allein auf die sieben Punkte der Klage beschränken ließen, wollte man zu einem
endgültigen Erfolg gelangen. Ohne auch die Nebenprobleme auszuräumen, sah
der württembergische Rat keine Chance für eine Beilegung der Krise.

Es entsprach der gleichen systematischen Einsicht in die psychologische Seite
des Konflikts, daß sich Reuß zunächst bemühte, direkte Verhandlungen zwischen
Regierung und Untertanen zu vermeiden. Zu hoch schätzte er die Gefahr ein, daß

53 Für das folgende der Relationsentwurf des württembergischen Rates Reuß, 1794 s. d.
(eigenhändiges Konzept). Hauptstaatsarchiv Stuttgart, A 262, Bü. 333.

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