Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1978/0100
Press

Reuß hatte insofern einen beträchtlichen persönlichen Erfolg errungen, als ihn
die Untertanen ausdrücklich um die weitere Mitwirkung bei den Vergleichsverhandlungen
baten. Dennoch war er tief enttäuscht. Freilich erkannte er auch, daß
die Deputierten zu Hause womöglich unter einem erheblichen persönlichen Druck
standen. So ging er auf den Vorschlag ein, einen Mittelweg zu wählen, „auf welchem
man immer weit schneller als im ordentlichen Weg des Prozesses zum
Zweck gelangen könnte, ohne die aufgestellte Deputierte den Vorwürfen oder
gar den Mißhandlungen ihrer zum Teil rohen Mitbürger auszusetzen." Beide Seiten
gaben immerhin zu Protokoll, daß Reuß' Vergleichsvorschlag gemäß den
Erklärungen und Bedenken abgefaßt war, die man ihm vorgetragen hatte - für
das Reichskammergericht im Fall einer Krise eine kaum zu übersehende Entscheidungshilfe
.

Danach berief der Württemberger die Landesdeputation bewußt nicht mehr
ein — auch hier ging er einen halb offiziellen Weg. Er las die Vergleichsvorschläge
sechs Deputierten und anderen Bürgern wörtlich vor. Diese machten
Reuß große Hoffnungen, daß der Vergleich zum Erfolg kommen würde, wenn
nur die Frage der freien Pirsch befriedigend geklärt wäre. Im Gegensatz zu den
Untertanen mochte die Regierung nicht so weit gehen und sich einer Entscheidung
des Reichskammergerichts bedingungslos unterwerfen. Dies war ein deutliches
Zeichen, daß ihr der Vergleichsvorschlag nicht ganz akzeptabel war, zugleich
aber verriet sich eine absolute Verkennung der Lage. Jeder Anschein eines absolutistischen
Kurses war auch in Wetzlar unpopulär geworden, aber das sollte
sich erst später auswirken. Zunächst jedoch setzte sich bei den Untertanen der
kompromißlose Standpunkt durch. Noch während Reuß im Lande weilte, hatte
der Umschwung in der Stadt Hechingen begonnen. Dort hatte man zur Betreibung
des Prozesses 50 Deputierte gewählt, wie sich denken läßt, nicht gerade die
Gemäßigtesten in der Stadt. Diese traten wenige Tage vor der Abreise des Stuttgarter
Rates zusammen und beschlossen die Fortsetzung des Prozesses. Erst danach
informierten sie Reuß durch sieben Abgeordnete über Versammlung und
Beschluß. Gleichzeitig mit seiner Abreise am 28. März 1794 griff der Umschwung
auf das ganze Land über. Bereits am 1. April versammelten sich die Landesdeputierten
und stellten fest, der Vergleich sei nicht zustandegekommen, jetzt
gelte es, den Prozeß ernstlich zu betreiben. Nachdem die sonst eher mäßigend
wirkende Stadt die Initiative ergriffen hatte, war es keine Frage, daß das Land
nachfolgte. Sogleich entsandte man wieder Abgeordnete nach Wetzlar. Nur
Rangendingen, Grosselfingen und Owingen signalisierten Reuß ihre Bereitschaft
zum Vergleich. Diese Orte, die früher keineswegs zu den kompromißbereiteren
gezählt hatten, beriefen sich darauf, daß sie einst von anderen Herrschaften an
die Zollern gekommen seien und daher „ihre besonderen Rechte und Verfassung"
hätten. Reuß aber widerstand der Versuchung, einen gesonderten Kompromiß
mit den drei Ortschaften anzustreben und erklärte recht kühl, alles weitere obliege
dem Reichskammergericht.

Immerhin war der sichtliche Wille der Untertanen, einen Prozeß zu führen,
umgebogen in die Richtung eines möglichen Vergleichs, den die Kommission auf
ihr Programm geschrieben hatte. Für die Untertanen lag hier auch letztlich die
größere Chance. Beim prozessualen Weg wäre das zuständige Reichskammergericht
an seine bisherigen Urteile gebunden gewesen. Der Weg des Vergleichs

94


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1978/0100