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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1979/0070
Kallenberg

sollen«, eine würdige Stätte zu gründen". Bei der Wahl des Betreuers der Bibliothek
stellte Karl Anton ebenso hohe Ansprüche wie bei den Kommentatoren seiner Kunstschätze
. Am 1. Mai 1862 wurde Dr. Emil Franz Roeßler (1815-1863) als Hofrat und
Hof bibliothekar angestellt20. Mit ihm kam ein Gelehrter nach Sigmaringen, der als
Privatdozent an den Universitäten Prag, Wien und Göttingen gewirkt hatte und der mit
zahlreichen rechtshistorischen Arbeiten hervorgetreten war. Zuletzt war er als zweiter
Bibliothekar an der Universität Erlangen tätig. Roeßler hatte außer seiner wissenschaftlichen
auch eine politische Vergangenheit. Er war österreichischer Abgeordneter in der
Paulskirche und ging aus politischen Gründen nicht mehr in seine Heimat zurück. Bei
seiner Berufung nach Sigmaringen war ihm auch die Leitung des fürstlichen Archivs in
Aussicht gestellt worden. Hier lag offenbar ein Konfliktpunkt für die Hofkammer, deren
Mißtrauen gegen einen dem Fürsten unmittelbar unterstellten Beamten vielfach zum
Ausdruck kommt: Man war an einem Registratur-Archivar interessiert und nicht an
einem Wissenschaftler21. Während man seitens der Hofkammer Roeßler unterstellte,
daß seine »gegenwärtigen Berufsgeschäfte ihn nicht zureichend in Anspruch nehmen«
dürften, erschwerte man ihm den Eintritt in die Leitung des Archivs. Roeßler seinerseits
klagt dem Fürsten, es handle sich nicht allein um »das bekannte Mißtrauen der
Sigmaringer, womit sie jedem Fremden und Ausländer, der neben ihnen eine Stellung
einnimmt, begegnen«, sondern um Unverständnis für seine Aufgabe, »da jede ernstere
wissenschaftliche Berufsthätigkeit hier fremd ist und man meine Arbeit höchstens als
Liebhaberei oder Spielerei betrachtet«22. Roeßler suchte seine Position dadurch zu
stützen, daß er den bekannten Mediaevisten Wilhelm Wattenbach, der im Vorjahr eine
Professur in Heidelberg übernommen hatte, zu einem Besuch in Sigmaringen und zu
gutachterlicher Stellungnahme veranlaßte23. Nach einem Aufenthalt von zwei Wochen
legte der auch von Karl Anton als »ausgezeichneter Archivar und Historiograph« sehr
geschätzte Wattenbach diesem einen Bericht über seinen Besuch auf dem Hohenzollern
und Sigmaringen24 und ein Gutachten über das fürstliche Archiv25 vor. Noch ehe der
Fürst eine Entscheidung über die künftige Stellung Roeßlers getroffen hatte, nahm sich

Die Urkunde über die Grundsteinlegung des Bibliotheksgebäudes v. 13.7. 1862 ist abgedruckt
ebd. S. 203 f.

20 Nähere Einzelheiten aus den Akten bei Kaufhold ebd. S. 106 f. und besonders Bernhardt (wie
Kap. 2 Anm. 7) S. 39-43. Roeßler stammte aus Brüx in Böhmen, wo er 1815 geboren wurde. Vgl.
die ebenso anerkennende wie kritische biographische Würdigung durch Wilhelm Wattenbach in:
ADB 29, 1889, S. 264 ff.

21 Bernhardt (wie Kap. 2 Anm. 7) S. 40. Vgl. neuerdings dazu die Vorgänge in Donaueschingen
beim Übergang des Fürstenbergischen Hauptarchivs »von der reinen Verwaltungsstelle zum
wissenschafdichen Betrieb« bei Erwein H. Eltz, Die Modernisierung einer Standesherrschaft.
Sigmaringen 1980, S. 134 ff.

22 Zitate bei Bernhardt (wie Kap. 2 Anm. 7) S. 40f.; auch Roth von Schreckenstein, der erste
wissenschaftlich gebildete Archiworstand in Donaueschingen, dessen Amtsantritt im September
1863 in dieselbe Zeit fällt, ist von den Kameralisten als »Drohne« beargwöhnt worden, vgl. Eltz
(wie Anm. 21) S. 142.

23 Bernhardt (wie Kap. 2 Anm. 7) S. 42. Roeßler unterhielt gute wissenschaftliche Beziehungen.
Er gehörte seit 1854 dem Gelehrtenausschuß des Germanistischen Nationalmuseums für das
Fach Deutsches Gerichtswesen an. Deneke/Kahsnitz (wie Kap. 2 Anm. 90) S. 1095.

24 Vom 24.8. 1863, abgedruckt bei Kaufhold (wie Anm. 2) S. 204 u. 217-220.

25 Vom 28.8. 1863, abgedruckt bei Bernhardt (wie Kap. 2 Anm. 7) S. 71-78.

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