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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1980/0151
Leon Schmalzbach

Verwaltung des zurückgegebenen Aktenmaterials wurde seitens der israelitischen
Gemeinde Leon Schmalzbach als Verantwortlicher betraut. Als sein Ersatzmann im Falle
einer Auswanderung wurde Karl Hamburger bestimmt.109 Auf der Polizeiwache wurde
Schmalzbach am 7. Januar 1939 vorstellig mit der Bitte zu der Angelegenheit wie
angeordnet von der Stadt ein Fahrzeug & einige Leute stellen zu wollen. Dies sei ihm
deshalb nicht möglich, weil er seihst niemand bekomme. Der Polizeihauptwachtmeister
erklärte ihm, daß er sein Vorbringen dem Stadtinspektor unterbreiten werde.110
Ein jüdischer Augenzeuge berichtet:

Etwa drei Wochen später kam ein Schreiben des Bürgermeisters, daß alles, was von der
beschlagnahme' in der Gewerbeschule noch liege, von Gemeindemitgliedern abgeholt
werden könne.

Von den Gemeindeakten und Ritualien fehlte nicht das Geringste, nur von der
Bibliothek fehlten ca. 100-150 Bände, meist von solchen Verfassern, die auf der
.Schwarzen Liste' standen, wie Wassermann, Mann etc.m

10. Auswandern?

Die Lebensumstände seit der .Machtergreifung' der Nazis, die Ereignisse während
der , Reichskristallnacht' und letztlich seine Erlebnisse und Erfahrungen im Konzentrationslager
Dachau zeigten Schmalzbach, daß im NS-Staat nicht mehr galt, was er noch in
seiner Ansprache zur Einweihung der Kriegergedächtnisstätte 1932 bezeugte: „Hier hat
sich immer ein friedliches Zusammenleben, gegenseitiges Einstehen und menschenfreundliche
Hilfsbereitschaft bei allen Glaubensbekenntnissen gezeigt. Und wir Juden,
die seit vielen Jahrhunderten in dieser Stadt ansässig sind, haben dies schöne Verhältnis
der Volksverbundenheit so selbstverständlich gefunden wie unsere Mitbürger."

Als das bevorstehende bittere Schicksal der Juden immer offenkundiger wurde, hat
sich auch Schmalzbach mit dem Gedanken der Auswanderung getragen; möglicherweise
wurde sie ihm auch nahegelegt.112 Ab dem 5. Oktober 1938 waren Reisepässe für Juden
nur noch mit dem eingestempelten ,J" gültig, und die Ausgabe neuer Pässe wurde
erschwert. Auf dem „Antrag auf Erteilung eines Reisepasses" gab Leon Schmalzbach als
Reiseziel Paraguay und als Zweck der Reise Auswanderung an. Vom 6. 2. 1939 hegt eine
„Bescheinigung (zur Vorlage bei der Passstelle)" vom Deutschen Ausland-Institut
Stuttgart vor. Sie lautet: Dem Antragsteller Leon Isr. Schmalzbach... wird bescheinigt,
dass er die ernsthafte Auswanderungsabsicht nach Paraguay dargetan hat. Er will sich
künftig als Siedler betätigen. Auswandererberatung i. A. [Unterschrift!'Siegel]'- Am 9.2.
1939 richtete der Bürgermeister der Kreisstadt Hechingen über den Landrat an die
Außendienststelle Sigmaringen der Geheimen Staatspolizei ein Schreiben betr. Auswanderung
des Juden Leon Israel Schmalzbach, geb. am 13. 10. 1882 in Jaroslaw. Der
Obengenannte hat hier die Ausstellung eines Reisepasses für das Ausland beantragt zum
Zwecke seiner Auswanderung nach Paraguay. Die ernsthafte Auswanderungsabsicht hat

109 Ebenda.

110 Ebenda.

111 Carl Hamburger, (wie Anm. 97).

112 Vgl. hierzu das Interview mit Heinrich und Alice Rosenrauch, in: Bettina Wenke, Interviews
mit Überlebenden. Verfolgung und Widerstand in Südwestdeutschland. Konrad Theiss Verlag
Stuttgart, 1980, S. 174.

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