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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1980/0168
Werner

Dok. I b) Schreiben der Kultusverwaltung der israelitischen Gemeinde vom 24.

September 1908 an die Königliche Regierung in Sigmaringen
Lagerort: StAS Ho 235 I-XI E 1435

An die Kgl. Regierung Sigmaringen.

Die Verfügung der kgl. Regierung veranlaßte die Cultusverwaltung der israelitischen
Gemeinde einerseits über intimere Verhältnisse der Gemeinde zu berichten, aus denen
sich die Normen ergaben, welche für die Wahl eines Lehrers und Cantors ihres Erachtens
maßgebend werden müßten, und andererseits die Wahlvorgänge selbst in voller Klarheit
darzulegen. Die Mitglieder der hiesigen isr. Cultusgemeinde sind in ihrer Mehrheit zur
gebildeteren Volksklasse zu zählen, die ihre Kinder im entsprechenden Alter von der
Volksschule wegnehmen und in das Gymnasium bzw. in die höhere Töchterschule
übertreten lassen.

Für begabte Kinder unvermögender Eltern bezahlt der Schulfonds das Schulgeld, so
daß für deren weiteren Ausbildung auch die Wege geebnet sind. Aus diesem Grunde
wird die isr. Volksschule, die z. Zt. von 7 Kindern besucht wird, in absehbarer Zeit sich
nicht großer Frequenz erfreuen können. In dieser Thatsache liegt schon ein Grund, daß
bei der Doppelstellung des ersten Gemeindebeamten der Schwerpunkt auf den Cantor zu
liegen kommt. Verstärkt wird diese Situation noch dadurch, daß ein nennenswerter
Bruchteil von Gemeindemitgliedern keine Kinder hat und dadurch besonders wenig
Interesse an der Schule bekundet, die Leistungen des Kantors aber bei jedem Wochen-
Gottesdienst kontrolliert. Ein weiterer Grund tritt aber noch hinzu, der die Cultusverwaltung
veranlaßte nur einen Lehrer zu wählen, der auch ein guter Cantor ist. Man hat
hier seit 2 Menschenaltern erstklassige Cantoren gehabt und darf in dieser Beziehung nur
die Namen Lichtenstein, Levi, Adler nennen und ist dadurch verwöhnt. Am Gottesdienst
wirkt ein vierstimmiger gemischter Chor mit, und Liturgien sowohl wie Gesänge
werden seit Menschenaltern in eingebürgerten Melodien vorgetragen. Das Einüben
derselben und ein tadelloser Vortrag ist nur einem guten Musiker möglich. Der religiöse
Indifferentismus macht sich in unserer ohnehin kleinen Gemeinde fühlbar; ein schöner,
erhebender Gottesdienst ist das einzige Mittel, auch die Lauen ins Gotteshaus zu führen;
ein Verlassen der gewohnten Gebetsordnung, ein Versagen von Vortrag und Gesang
durch den Cantor würde mit der Zeit geradezu verhängnißvoll für den Bestand unserer
Gemeinde werden.

Und nun zur Wahl selbst. Herr Leo Adler hatte am 23. Juni vertragsgemäß per 23.
September gekündigt; die kgl. Regierung setzte den Entlassungstag auf den 15.
September fest. Am 25. September beginnen die hohen Festtage, und mußte es die
Aufgabe der Cultusverwaltung sein dafür zu sorgen, daß bis zum Beginn der Festtage ein
Nachfolger ernannt ist. Die Stelle wurde in der Allgemeinen Zeitung des Judenthums
und in dem Jüdischen Familienblatt, dem eine Lehrerzeitung beiliegt, ausgeschrieben; als
Endtermin für Anmeldungen wurde der 30. Juli festgesetzt. Der erste, der sich meldete,
war Herr Leo ScRmalzbach aus München, dessen Gesuch von dem sehr zuverlässigen
Lehrer Heinrich Frei in München aufs Wärmste unterstützt wurde. Fast postwendend
schrieb der Vorsteher der isr. Gemeinde diesem Herrn Frei, daß sein Schützling keine
Aussicht habe, die Stelle zu erhalten: die Cultusverwaltung werde nur einen Reichsdeutschen
wählen. Von den weiter eingelaufenen Gesuchen wurden alle ausgeschieden, deren
Schreiber unter 25 Jahre alt waren und die im Gesänge und in Musik geringe Zeugnisse
nachwiesen.

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