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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1980/0198
Werner

Die eingeschlagenen Türen, Fenster wurden mit Brettern zugenagelt, und damit hörte
die Synagoge auf, ein Gotteshaus zu sein; es war eine Ruine, und man kann sagen, daß
damit die alte, ehrwürdige Jüdische Gemeinde Hechingen aufgehört hatte, zu existieren.
Das gleiche Schicksal hatte die Synagoge in Haigerloch und Rexingen ereilt; auch diese
waren nur im Innern demoliert worden.

Gegen 7.30 Uhr a. M. wurden fast alle jüdischen Männer verhaftet und ins Gefängnis
im Landgericht Hehn, überführt. Es waren dies: Edmund Eppstein, Dr. M. Meyer,
Landgerichtsrat a. D., Carl Levy, Otto Hofheimer, Harry Weil, Kurt Model (getaufter
Jude), Rabbinatsverweser Leon Schmalzbach, Ernst Grunbacher.

Während Edmund Eppstein, Dr. Meyer und Carl Levy bald wieder entlassen
wurden, weil sie über 60 Jahre alt waren, kamen die anderen einige Tage später ins
Konzentrationslager DACHAU. Hofheimer und Schmalzbach, sowie Harry Weil
mußten dort ca. vier Wochen aushalten, während der getaufte Jude, evangelischer
Konfession, über 2 Monate schmachten mußte und mit erfrorenen Händen und Füßen
heimkam.

Verschont blieben Isidor Bernheim, Alfred Loewenthal und ich, sowie unser
langjähriger verehrter Vorstand Emil Weil, den ich beinahe vergessen hätte. Er hat die
Synagoge nicht mehr gesehen, er wollte nicht, er sagte später einmal: »Ich hätte den
Anblick nicht ertragen können«. Jan. 16. 1943.

Ungefähr acht Tage später kamen eines Morgens zwei Schutzleute und einige
städtische Arbeiter ins Gemeindehaus, übergaben ein Schreiben des Bürgermeisters, daß
alle Bücher, Acten etc., alles was Eigentum der jüdischen Gemeinde ist, beschlagnahmt
sei, und ich die Schlüssel auszuliefern habe. Alles was im Gemeindezimmer und im
Schulsaal aufbewahrt war, wurde auf einen Wagen geladen und in die städtische
Gewerbeschule gebracht, selbstverständlich auch die 23 Torarollen, der Silberschmuck
und die sämtlichen kostbaren Vorhänge (Borochis). Ich protestierte gegen die Beschlagnahme
der Bibliotheksbücher, welche ja nicht der jüdischen Gemeinde gehörten, aber es
half mir nichts. Auch den Kassenschrank mußte ich öffnen, und das Geld, welches ich
zählte, sowie alle Bücher und Akten in demselben wurden beschlagnahmt.

Bemerken muß ich, daß die Sparkassenbücher und das Bargeld am gleichen Nachmittag
zurückgegeben wurden. -

Etwa drei Wochen später kam ein Schreiben des Bürgermeisters, daß alles, was von
der »Beschlagnahme« in der Gewerbeschule noch liege, von den Gemeindemitgliedern
abgeholt werden könne.

Von den Gemeindeacten und Ritualien fehlte nicht das Geringste, nur von der
Bibliothek fehlten ca. 100-150 Bänden, meist von solchen Verfassern, die auf der
»Schwarzen Liste« standen, wie Wassermann, Mann etc.

In die Stadt. Volksschule konnte ja schon lange mehr kein jüdisches Kind gehen. Sie
waren eine Zeitlang ohne jeglichen Unterricht. Meine Tochter Hanni ging bis zu dem
Tage (27. Juni 1939) als sie mit einem Kindertransport nach London kam, in die jüdische
Volksschule nach Haigerloch, die von Herrn Lehrer Spier geleitet wurde. Die Kinder in
Hechingen wurden eine Zeit lang von mir unterrichtet, bis dann Rabbinatsverweser
Schmalzbach dessen Auswanderung sich zerschlagen hatte, wieder den Unterricht
übernahm.

Die allgemeine Lage der Juden in Hechingen war erträglich. Belästigt wurde man hie
und da von der Hitler-Jugend, während die »Alten« immer noch freundlich waren,
soweit sie nicht Parteimitglieder waren. Gegrüßt durfte natürlich kein Jude werden, aber
jeder hatte doch noch ein paar gute christliche Freunde. Abends 8 Uhr durfte kein Jude

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