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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1981/0023
Owingen 1584

tion. Derartige Vorstellungen von gerechter Herrschaft usw. können insbesondere im
Kontext sozialer Konflikte als handlungsorientierend und handlungslegitimierend
relevant werden. Latent vorhandene, d. h. insbesondere dem Historiker nicht greifbare
Vorstellungen treten so im Konflikt an die Oberfläche und werden in argumentativen
Ausführungen der Bauern (z. B. in Bittschriften u. ä.) greifbar. Der scheinbar >spasmodi-
sche Ausbruch< zeigt sich so durch seine Rückbindung an das Dorf als Erfahrungsraum
der Bauern und durch seine Anbindung an die dort verankerte und auf der dörflichen
Ökonomie aufruhende normative Kultur als ein durchaus einer eigenen Rationalität,
einer eigenen sozialen Logik< gehorchender Akt31.

Bevor wir nun abschließend versuchen, die typischen Konfliktfelder derartiger
bäuerlicher Gesellschaften systematisch zu bestimmen, ist es jedoch notwendig, zweierlei
differenzierend zu betonen - insbesondere um der Gefahr einer in Sozialromantik
abgleitenden Idyllisierung, in der das Dorf als heile Welt erscheint, vorzubeugen:

A) Das Dorf, das bislang als ein Verband solidarischer Einheit erschienen sein mochte,
ist weder ein Bereich harmonischer Einheit noch eine Gemeinschaft von Gleichen.
Vielmehr stellt das Dorf eine sozial geschichtete Einheit dar, in der sich soziale
Ungleichheit auch innerdörflich in Konflikten manifestieren kann, in der aber vor allem
auch bei formaler Gleichstellung der einzelnen Dorf genossen der ökonomisch und sozial
Stärkere mehr Aussicht auf Berücksichtigung und Durchsetzung seiner Interessen hatte.
Herrschaft im Dorf bedeutet daher nicht nur die verschiedenen Erscheinungsformen der
Herrschaft auf dörflicher Ebene, sondern auch die Frage danach, wer im Dorf das Sagen
hat und wer in den einzelnen dörflichen Ämtern sitzt32.

B) Diese soziale Schichtung der Dorfbewohner kann aber auch eine sozial differenzierte
Teilhabe an der oben skizzierten normativen Kultur, im Extremfall die Koexistenz
verschiedener Systeme sozialer Normen zur Folge haben. Gleichzeitig kann jedoch
davon ausgegangen werden, daß der Grad der Verbindlichkeit derartiger Normen
innerhalb des Dorfes aufgrund der massiven sozialen Kontrolle, die diesem als einer
»societe d'interconnoissance«33 innewohnt, sehr hoch ist sowie daß bei aller inneren
Differenziertheit und inneren Konflikthaftigkeit der Grad der Solidarität bei Konflikten
mit Instanzen und sozialen Gruppen außerhalb des Dorfes relativ hoch ist. Wie sich
dieses Spannungsverhältnis von Dorf als Solidarverband und Dorf als durch innere
Konflikte bestimmte Einheit in der Realität gestaltet, vermag erst die Analyse des
einzelnen Falles zu zeigen.

Nach diesen notwendigen Differenzierungen nun also ein Versuch der systematischen
Bestimmung möglicher Konfliktfelder. Dabei lassen sich zwei Ebenen des
Konflikts unterscheiden:

a) der Konflikt um die Verteilung und Nutzung der wichtigsten Ressourcen, insbesondere
des Bodens.

b) der Konflikt um die Verwendung und Verteilung des bäuerlichen Surplus.

31 Edward P. Thompson, Die >moralische Ökonomie< der englischen Unterschichten im 18.
Jahrhundert, in: Ders., Plebeische Kultur und moralische Ökonomie. Aufsätze zur englischen
Sozialgeschichte des 18. und 19. Jahrhunderts. Frankfurt/M. usw., S. 67ff., und Ders.,
Patrizische Gesellschaft, plebeische Kultur, in: ebd., S. 190ff.

32 Für die Einschätzung von deren Funktion ist natürlich die Form der Rekrutierung dieser
Funktionsträger von entscheidender Bedeutung.

33 Mendras, Un Schema (wie Anm. 17), S. 81 ff., 91 ff.

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