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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1981/0024
Elbs

Die erste Ebene des Konflikts wird sich in der Regel als Konflikt innerhalb des Dorfes
als sozialer Einheit sowie zwischen einzelnen Dörfern finden. Dabei bildet die Nutzung
des Kollektiveigentums, also vor allem der Allmend, einen besonders konfliktträchtigen
Bereich. Dieses erfüllt insbesondere in Zeiten stärkeren Bevölkerungswachstums mit
daraus resultierendem demographischem Druck und folgender Verknappung des Nahrungsspielraums
für die unter- und kleinbäuerliche Schicht eine lebensnotwendige
Funktion. Zugleich kann es auch in derartigen historischen Phasen in besonderem
Umfang zwischen einzelnen Dörfern zu Konflikten um knapper werdende Ressourcen,
insbesondere um den Boden kommen. Diese Konflikte sind mit allerdings einer
Ausnahme nicht herrschaftlich bestimmte Konflikte.

Diese Ausnahme ergibt sich aus der in unterschiedlichem Umfang im vorindustriellen
Europa festzustellenden zweigeteilten Produktionsstruktur, d.h. der Existenz herrschaftlicher
Eigenwirtschaften neben der bäuerlichen Produktion. In Zeiten günstiger
Agrarkonjunktur und bei günstiger Marktlage (in geographischem Sinn) kann es
durchaus interessant sein, derartige Eigenwirtschaften auszudehnen. Diese Ausweitung
herrschaftlicher Eigenproduktion, die mit agrarkapitalistischen Tendenzen verknüpft
sein kann, muß nahezu notwendigerweise, da nur möglich über die Einschränkung
bäuerlicher Nutzungsrechte am Boden, zu Konflikten mit den Bauern führen. Konfliktgegenstand
kann dabei allerdings auch die Arbeitsrente (Frondienste, Gesindezwang,
Robot usw.) sein, auf die in diesem Zusammenhang von herrschaftlicher Seite verstärkt
zurückgegriffen wird.

Die zweite Ebene von Konflikten wird in der Regel ein Konflikt zwischen Herrschaft
und bäuerlichen Produzenten um die Form und den Umfang der Abschöpfung des
bäuerlichen Surplus sein. Dabei ist insbesondere zu beachten, daß durch die konkrete
Form dieser Abschöpfung die verschiedenen sozialen Schichten des Dorfes in durchaus
unterschiedlicher Weise betroffen sein können. So wird in Zeiten demographischen
Drucks und daraus folgendem Überangebot an Arbeitskraft ein zusätzlicher Frontag für
einen Tagelöhner, da bei der Fronleistung das Fronbrot gegeben werden muß, einen
zusätzlichen Tag gesicherter Ernährung bedeuten, wogegen er für den Bauern primär
den nahezu ersatzlosen Verlust eines Arbeitstages bringt. Bei der Analyse derartiger
Konflikte ist also neben der genauen Beachtung der Form und des Umfangs, in dem sich
die Abschöpfung des Surplus verändert, vor allem darauf zu achten, wie durch diese
Veränderungen die verschiedenen Schichten innerhalb des Dorfes in unterschiedlicher
Weise betroffen werden und daher auch in unterschiedlichem Ausmaß an derartigen
Konflikten beteiligt sein werden.

Da im europäischen Bereich aufgrund der Vielfalt und Verschiedenartigkeit der
Rechtstitel, unter denen bäuerlicher Surplus angeeignet wird (Grundherrschaft, Leibherrschaft
, Gerichtsherrschaft, Landeshoheit usw.) eine Aufsplitterung der herrschaftlichen
Ansprüche auf bäuerliche Abgaben und Dienste möglich ist und häufig auch
gegeben war34, ergibt sich als weiteres Konfliktfeld die Konkurrenz der einzelnen
Herrschaftsträger um den bäuerlichen Surplus. Für den deutschen Bereich in der frühen
Neuzeit ist dabei insbesondere zu beachten, daß die verschiedenen Herrschaftsträger in
eine Hierarchie eingespannt sind (Grundherr - Landesherr - Kaiser), in welcher der
jeweils übergeordnete Herrschaftsträger zur Erhaltung eigener Surplusansprüche Aus-

34 So konnte zum Beispiel ein Bauer durchaus einem ersten Adligen als Grundherrn, einem zweiten
Adligen als Leibherrn und einem dritten als Landesherrn untenan sein. Allen dreien hatte er dann
Abgaben bzw. Dienste zu leisten.

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