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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1981/0065
Owingen 1584

Mit diesem Austritt praktizieren die Owinger erstmals kollektiv eine Form des
Widerstandes217, die in den Auseinandersetzungen in der Grafschaft vor allem im 18.
Jahrhundert eine wichtige Rolle spielen sollte218. Welche Funktion diese Widerstandsform
hatte, belegt die Bittschrift der Owinger aus dem Jahr 1585 sehr deutlich. Das
Austreten sei allein aus gefaster forcht auch zu disem end geschehen, darunder mit gottes
hilf und guetherziger leuth befurderung ordenliche mittel und weg zue suchen, dardurch
unser untreglichen beschwerden abgeholfen werden und wir armen underthonen unserm
gnedigen erbherr und oberkait in underthenigem vertrauen und getreuer laistung aller
schuldigkait gehorsamblich Vorsitzen und gewertig sein mechten, sintemal kundlich
gewesen, daß wir anhaimbisch mit supplicieren bey iren gnaden nichts ausrichten künden,
sonder dardurch je lenger je mehr Verbitterung und ungnad auf uns geladen™. Durch
den Austritt soll also der durch das Herrschaftssystem gesetzte Konfliktrahmen220, in
dem sich die Konfliktbehandlung auf die Androhung immer drakonischerer Strafen221
beschränkt hatte, gesprengt werden und so durch den Rekurs auf nicht unmittelbar am
Konflikt Beteiligte eine Form des Konfliktaustrags erreicht werden, die Aussicht auf die
Behebung der Beschwerden bot.

Nach ihrem Austritt wenden sich die Owinger daher zuerst in Rottenburg an die
Amtleute der benachbarten Herrschaft Hohenberg, welche sich jedoch der Sache nicht
annehmen wollen, sondern die Owinger vielmehr an die Juristenfakultät in Tübingen
verweisen222.

Noch am gleichen Tag ziehen die Ausgetretenen daher nach Tübingen weiter, wo sie
bei der juristischen Fakultät mit Nikolaus Varnbüler, der sich ihrer vor allem annimmt,
einen Juristen finden, der zudem die Verhältnisse der Grafschaft aus eigener Anschauung
kennt. Varnbüler, beider Rechte Doktor und seit 1551 Professor der juristischen
Fakultät, in dieser Zeit auch mehrfach Rektor der Universität223, hatte nämlich, so
schreibt er in einem Brief an Eitelfriedrich, nachdem dieser ihm vorgeworfen hatte, er

habe die Bauern in ihrer Halsstarrigkeit bestärkt224, Jos Niklas II____bei 15jaren lang bis

nach irem seligen verschaiden (= Jos Niklas'; E. E.) umb ain verschribne bestallung von

Daß der Austritt als individuelle Widerstandsform durchaus verbreitet war, läßt sich über die
Kanzleiprotokolle und Audienzbücher belegen. So ist im März 1579 Jakob Flechner von
Gauselfingen ausgetreten, worauf ihm Weib und Kind nachgeschickt und sein Gut eingezogen
werden soll (STAS Ho 1 C II 8 Nr. 1 fol. 36r). Am 14.9.1590 wird von der Kanzlei wegen des
Austretens, das vor allem geschehe, wenn Untertanen Zins, Gülten, Schätzung und gebührende
Strafgelder zu zahlen oder Dienste zu leisten hätten, an die Bestimmungen der Landesordnung
erinnert, die als Strafe für das Austreten der Einzug aller gueter, ligende und fahrende, nichzit
außgenohmen noch hindan gesetzt androht (STAS Ho 1 C II 8 Nr. 1 fol. 366v-367r).
Cramer, Grafschaft Hohenzollern (wie Anm. 8), S. 331 f., 337ff., 361 ff.
STAS Ho 1 C II 2 b Nr. 5 fol. 287r.
Vgl. oben S. 30 f.

Zuletzt war für den Besuch der Mühle in Stetten eine Strafe von 100 Pfd. Heller angedroht
worden (STAS Ho 1 C II 2 b Nr. 5 fol. 88r).

Da Eitelfriedrich bereits dies als nicht gerechtfertigte Einmischung betrachtet, fordert er am
15.11.1584 von denselben einen Bericht darüber, worauf diese antworten, daß sie sich dieser
paaren im wenigisten auch nicht beladen angenommen noch gerathen auch nichts gehandlet
(STAS Ho 1 C II 2 b Nr. 5 fol. 355r).

Crusius, Schwäbische Chronik (wie Anm. 78), S. 257, 269, 277, 288, 294, 296. 1576 war
Varnbüler Vertreter des Herzogs von Württemberg auf dem Reichstag in Regensburg (Crusius,
S. 334).

STAS Ho 1 C II 2 b Nr. 5 fol. 312/313 (Brief vom 9.1.1585).

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