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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1981/0224
Neues Schrifttum

Gedankengut und den Zwang zur Reorganisation des Staatswesens - zu einer »Revolution« von
oben kam, kommt zugleich eine Schlüsselfunktion für das Verständnis für die Entwicklung und
Ausbildung des Verwaltungsrechtsschutzes zu. Reformen konnten so nur schrittweise durchgeführt
, und mußten unter dem Eindruck der Konsolidierung nach den Befreiungskriegen unter dem
Druck vor allem des Adels wieder rückgängig gemacht werden. So bildete auch die Aufgabe der
Kammerjustiz zunächst keinen entscheidenden Fortschritt: Zwar ist die Verwaltung seither nicht
mehr Richter in eigener Sache; doch trat sie nach wie vor als maßgeblicher, den Richter bindender
Gutachter auf, so daß die Suprematie der Gerichte über die Verwaltungsbehörden notwendig rein
formal bleiben mußte (S. 293). Die vorläufige Vollstreckbarkeit, wie sie in der Zeit gehandhabt
wurde, bedeutete schließlich, daß die Administration letztlich unbehelligt bis zu einem Urteil jede
Maßnahme durchsetzen konnte, die sie für notwendig erachtete (S. 295). Erst 1808 konnte eine
Allzuständigkeit der ordentlichen Gerichte für alle Rechtsstreitigkeiten erreicht werden. Der
Rechtsschutz gegenüber der öffentlichen Gewalt des Staates war seither nicht mehr an die
»Justizsache« gebunden, die beim »wohlerworbenen Recht« stehen blieb. Die entscheidende
preußische Verordnung vom 26. Dezember 1808 ließ beim »gesetzwidrigen« Verwaltungsakt
unbedingt, beim »gesetzlosen« bedingt die »Anfechtungsklage« unter Berufung auf Freiheit und
Eigentum als Inbegriff des »subjektiven Rechts« zu.

Es würde den Rahmen dieser Rezension überschreiten, wenn alle wichtigeren Thesen der Arbeit
hier angeschnitten würden. Wichtig erscheint, daß die wesentlichsten Probleme gesehen und in den
gesellschaftlichen Kontext eingeordnet wurden. Freilich wäre es notwendig gewesen, auch dem
institutionellen Eigenleben etwas mehr nachzugehen und die Rechtspraxis, wenigstens exemplarisch
, nachzuzeichnen. Die zeitliche, wenn auch an etwas zufälligen Daten gewählte, Beschränkung
auf die Zeit von 1782 bis 1821 ist angesichts des Themenumfangs zwar zu rechtfertigen, doch
hätte die weitere Entwicklung ebenso wie die Vorgeschichte etwas stärker einbezogen werden
müssen. Ebenso fehlt fast völlig der Blick auf benachbarte Territorien; ein Vergleich mit anderen
oder ähnlichen Rechtssystemen hätte vielleicht die Besonderheiten der preußischen Entwicklung
noch deutlicher hervortreten lassen.

Insgesamt hinterläßt die Arbeit einen durchaus positiven Eindruck; die aufgeschwemmten
Erörterungen zur gesellschaftlichen Situation wird man demgegenüber weniger negativ beurteilen
und dem Bestreben des Autors zuschreiben müssen, sein zugegebenermaßen profundes Wissen
mitzuteilen und für die Zwecke der Arbeit dienstbar zu machen.

Pfungstadt J. Friedrich Battenberg

Ulrich Stump: Preußische Verwaltungsgerichtsbarkeit 1875 - 1914. Verfassung - Verfahren -
Zuständigkeit. Berlin: Duncker & Humblot 1980. 357 S. (Schriften zur Rechtsgeschichte Heft
20).

Man könnte die hier zu besprechende, bei Prof. Bernhard Diestelkamp in Frankfurt angefertigte
, Dissertation sozusagen als Fortsetzung der Untersuchung Henning Schrimpfs über: Herrschaft
, Individualinteresse und Richtermacht im Übergang zur bürgerlichen Gesellschaft ansehen
(Besprechung in diesem Band S. 221-222). In beiden Monographien geht es um die Ausbildung des
Rechtsschutzes gegenüber der Ausübung hoheitlicher Gewalt in Preußen - dem im 19. Jahrhundert
seit den Stein/Hardenbergischen Reformen und auch noch im 20. Jahrhunden vielfach vorbildlichen
Verwaltungsstaat, dessen Errungenschaften von einer nicht geringen Anzahl deutscher Länder
kopiert oder auf die eigenen Verhältnisse übertragen wurden. Beide Dissertationen behandeln eine
Zeit des Übergangs. Im einen Fall geht es um die - in schwierigen Verhältnissen zustandegekommene
- Geburt eines Rechtsschutzsystems, im anderen Fall um eine Therapie eines nach der
Reichsgründung 1871 überalterten und reformbedürftigen Systems.

Obwohl also unbestreitbare Parallelen zwischen beiden Themen bestehen, die ein gleiches
methodisches Vorgehen nahegelegt hätten, hat Stump die Problematik in völlig anderer Weise
angepackt. Während Schrimpf sehr eingehend die gesellschaftlichen Hintergründe im Zusammenhang
mit der Wandlung des Feudalstaates zur bürgerlichen Gesellschaftsordnung beleuchtet, und

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