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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1982/0056
Agathe Kempf

3.5. Die Baumwollspinnerei Karlstal

3.5.1. Die Gründung

Anlaß zur Gründung einer Fabrik im sigmaringischen Unterland war die dort stark
herrschende Armut und der Mangel an Arbeitsplätzen. Die Landwirtschaft war aufgrund der
großen Bevölkerungszunahme und des Realteilungsrechts nicht mehr allein in der Lage, den
Einwohnern eine ausreichende Sicherung ihrer Existenz zu gewähren. In dem Erlaß der
Geheimen Konferenz zu Sigmaringen vom 21. 4. 1838 heißt es: Die traurige Frage wegen des
überhandnehmenden Nothstandes in den unteren Aemtem Haigerloch und Glatt haben Se.
Hochfürstliche Durchlaucht bewogen, um einigermaßen die stets wachsende Armuth zu steuern
und Mittel zu Verdienst zu verschaffen, die Anlage einer mechanischen Baumwollspinnerei im
Eyathal [!] anzuordnen, und mit dem Bau derselben ungesäumt voranfahren zu laßen22*.
Neben einem bescheidenen Wohlstand der Bevölkerung erhoffte man sich von einer Fabrik
auch eine Stärkung der Moralität229.

Zunächst könnte man sich fragen, wieso Fürst Karl von Hohenzollern-Sigmaringen gerade
eine Baumwollspinnerei, einen Betrieb der Textilbranche, als Objekt seiner wohltätigen
landesväterlich-patriarchalischen Aktion wählte.

Daß diese Entscheidung für die damaligen Verhältnisse wohlbegründet war, lag in der
allgemeinen ökonomischen Situation. Textilerzeugnisse zählten nämlich - außer den Lebensmitteln
- auch in agrarisch orientierten Gebieten zu den wichtigsten Gebrauchsgütern. Im
Vergleich zu einem Betrieb der Schwermetallverarbeitung waren Textilprodukte - trotz der
auftretenden Probleme der Beförderung - leichter zu versenden als Schwermetalle. Auch die
Frachtkosten waren hierfür bedeutend niedriger230.

Es war auch möglich, an eine - wenngleich bescheidene - Tradition der Hausweber und
-spinner anzuknüpfen. Das Problem der Heranbildung einer Facharbeiterschaft darf dabei
jedoch nicht unterschätzt werden. Die Bauern die Bedienung der Maschinen zu lehren, war kein
ganz leichtes Unternehmen.

Für Karlstal trifft jedenfalls zu, was Henning über die deutsche Textilindustrie allgemein
feststellt: Sie sei »das Auffangbecken der ländlichen Überschußbevölkerung« gewesen231.

Als Standort für die zu gründende Fabrik bemühten sich Haigerloch und Imnau. Imnau
argumentierte, seine Lage sei in Bezug auf die vorhandene Wasserkraft wesentlich günstiger als
diejenige Haigerlochs. Auch die Gemeinden Empfingen, Betra und Fischingen wollten die
Fabrik auf ihrer Markung erbauen lassen.

Die Fabrik war für eine Gemeinde in zweierlei Hinsicht begehrenswert: Sie diente der
Arbeitsbeschaffung für die einheimische Bevölkerung, die einen nur kurzen Weg zur Arbeitsstätte
auf sich nehmen mußte, und sie war unter finanzpolitischem Aspekt vorteilhaft. Diejenige
Kommune, auf deren Areal die Fabrik erbaut werden würde, erhielt deren Steuern. Vor allem
die Gewerbesteuer würde im Vergleich zu den übrigen Gewerbetreibenden voraussichtlich
hoch ausfallen.

Haigerloch verdankte seine Wahl zum Standort der Fabrik sehr wahrscheinlich seiner
zentralen Lage im Oberamtsbezirk Haigerloch. Es konnte relativ leicht von den umliegenden
Gemeinden erreicht werden232. Inwiefern die Funktion Haigerlochs als Oberamtsstadt ins
Gewicht fiel, konnte anhand der Akten nicht festgestellt werden, doch spielte auch dieses
Faktum wahrscheinlich eine Rolle bei der Standortwahl.

228 Ebd. Ho 202, PO AH 1544. Vgl. FAS, NVA 22294, 14395, 22223. SAS, Ho 202, POAH 370.

229 FAS, NVA 14395.

230 Blumberg (wie Anm. 118) S. 17.

231 Henning (wie Anm. 5) S. 175.

232 FAS, NVA 22294. SAS, Ho 202, POAH 370.

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