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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1982/0071
Die gewerbliche und industrielle Entwicklung im Haigerlocher Raum

Das einzige Recht, das den Arbeitern zustand, war das Beschwerderecht bei der Verwaltung
oder nötigenfalls bei höherer Stelle (§ 8). Dies war bereits ein bescheidener Ansatz für eine
eigenständige Position der Arbeitnehmer gegenüber den Meistern und Aufsehern, welchen sie
ansonsten zu Gehorsam verpflichtet waren (§ 13 Abs. 1). Die Bestimmung, daß Meister und
Aufseher gehalten seien, ihre Untergebenen anständig, gerecht und uneigennützig zu behandeln
, und das Verbot, sowohl erwachsene als auch kindliche Arbeiter zu beschimpfen und zu
schlagen (§ 12, Abs. 10), macht die damalige Praxis der Behandlung von unterstellten Personen
deutlich. Ansonsten wäre dieser Paragraph ja nicht aufgenommen worden. Gleichzeitig
unterstreicht er die Wichtigkeit und Notwendigkeit eines Beschwerderechts von Seiten der
Arbeiter.

Die Landesregierung in Sigmaringen genehmigte die Karlstaler Fabrikordnung am 4. Dezember
1839. Aus diesen Weisungen ist noch erwähnenswert, daß die Heranziehung schulpflichtiger
Kinder zur Fabrikarbeit als selbstverständlich erachtet wurde, falls die gesetzliche
Schulpflicht dadurch nicht behindert würde (§ 4). Körperliche und geistige Schäden der Kinder,
die aus Fabrikarbeit resultieren konnten, wurden damals noch nicht bedacht.

Als Vorbild der Fabrikordnung von Karlstal diente möglicherweise diejenige des Hüttenwerks
Laucherthal, das sich ebenfalls in herrschaftlicher Hand befand. Dies erscheint umso
wahrscheinlicher, als die oft recht detaillierten Anordnungen auf eine gewisse Erfahrung oder
zumindest Bekanntsein mit den Verhältnissen der Fabrikarbeiterschaft schließen lassen. Der
fremde Industriezweig bleibt hierbei von untergeordneter Bedeutung. Die mögliche Verbindung
der beiden Fabrikordnungen ist wohl in Zusammenhang mit den Gründungs- und
Vorarbeiten von Hofkammerrat Haller, dem Direktor des Hüttenwerks Laucherthal, zu sehen.

Zusammenfassend soll nochmals festgehalten werden, daß aus allen Paragraphen der
Fabrikordnung von 1839 deutlich der Wille spricht, die Arbeiter mit allen zur Verfügung
stehenden Mitteln zu Disziplin und Ordnung anzuhalten und einen regelmäßigen Produktionsablauf
der Spinnerei zu sichern. Dieses Vorgehen war für die Fabrik Karlstal besonders
dringend und angebracht, da sozusagen eine Pionierleistung zu vollbringen war299.

Wie die straffen, heute großenteils kleinlich und drastisch erscheinenden Maßnahmen auf
die damaligen Arbeiter gewirkt haben, ist unbekannt. Ebensowenig konnte festgestellt werden,
wie die Fabrikordnung in der Praxis gehandhabt wurde, ob sie eher zum Wohle der Arbeiter
oder eher im Interesse der Verwaltung zur Vermehrung von Gewinn und Absatz benutzt
wurde. Allgemein kann festgestellt werden, daß die Karlstaler Fabrikordnung als zeitgenössisches
Dokument nicht aus dem üblichen Rahmen fällt300.

Die nächste zur Verfügung stehende Fabrikordnung von Karlstal stammt aus dem Jahr 1892.
Inzwischen war Karlstal in Privatbesitz übergegangen (vgl. Kap. 3.5.4.). Ob und inwieweit die
Fabrikordnung von 1839 unter den privaten Unternehmern beibehalten wurde, konnte nicht
ermittelt werden.

Die Fabrikordnung von 1892 stammt bereits aus einer Zeit, in der die Industrialisierung in
Deutschland weit fortgeschritten war. Inwieweit die Änderungen vorwiegend oder ausschließlich
auf dieses Faktum zurückgehen, wird anschließend dargestellt.

Die tägliche Arbeitszeit betrug elf Stunden. An Tagen vor Sonn- und Feiertagen war die
Arbeitszeit auf zehn Stunden festgesetzt. Arbeiterinnen, die einen eigenen Haushalt hatten,
durften auf Antrag bereits um 11.30 Uhr Mittagspause machen. Ebenfalls waren Pausen für
Jugendliche aufgenommen worden (§ 3). Sonntags durften nur erwachsene Männer im
Bedarfsfall - unter Berücksichtigung der Gewerbeordnung - arbeiten (§ 4).

299 Treiber, Steinert, (wie Anm. 297) S. 50.

300 Ebd., hinterer Umschlag: Fabrikordnung der Baumwollspinnerei J.H. Staub & Söhne (zum Vergleich
).

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