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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1982/0084
Agathe Kempf

Aus den zur Verfügung stehenden Archivalien war es nicht möglich, ein abgerundetes Bild
bzw. den lückenlosen Gang der Fabrik Karlstal von der Übernahme durch Meyer und Kober
bis zum 1. Weltkrieg zu rekonstruieren. Der Betriebsverlauf kann erst seit den 90er Jahren des
19. Jahrhunderts anhand einiger Angaben, die nicht alle Jahre betreffen, in groben Linien
nachvollzogen werden. Hierzu dienten v. a. die vierteljährlichen Berichte des Haigerlocher
Oberamtmanns an die preußische Regierung in Sigmaringen und die Bitten bzw. Gesuche
Meyers betreffs Uberstunden für Frauen über 16 Jahren. Bei ersterer Quelle muß jedoch
einschränkend vermerkt werden, daß sie vorwiegend auf die Landwirtschaft und deren
Verhältnisse hin orientiert ist und weniger auf Handel, Handwerk und Industrie. Angaben über
die ersten Jahrzehnte der Spinnerei unter Meyer und Kober fehlen gänzlich.

Das Jahr 1891 und den Anfang des Jahres 1892 überschattete ein allgemein schlechter
Geschäftsgang der Spinnereien Deutschlands. In der Mehrzahl beschlossen die Spinnereibesitzer
daher in einer Übereinkunft, die Arbeitszeit für drei Monate einzuschränken. Meyer regelte
die Arbeitszeit für Karlstal dergestalt, daß samstags nicht gearbeitet, sondern nur die Maschinen
abgedeckt wurden. Bis Oktober 1892 hatte sich die Lage wieder weitgehend gebessert und
stabilisiert. Meyer konnte den Arbeitszeitausfall durch Überstunden gegen Jahresende teilweise
wieder kompensieren. Weitere Gründe für Überstunden waren in den letzten Monaten des
Jahres 1892 der niedrige Wasserstand der Eyach, Kesselreparaturen, die einen Ausfall von
55 Arbeitsstunden verursacht hatten, und ein Unglücksfall, der sieben Stunden Arbeitszeit
gekostet hatte. Insgesamt wurden im Jahr 1892 117 Stunden weniger gearbeitet als das
gesetzliche Höchstmaß erlaubte355.

Am 1. Februar 1893 behinderte ein Eisgang den Betriebsverlauf. - Der Abrutsch von
Felsmassen am hinteren Kanal verursachte im Jahr 1895 einen beträchtlichen Verlust an
Arbeitszeit. Im März lagen dann so viele Aufträge vor, daß die Vorwerke, die hauptsächlich von
Frauen bedient wurden, den Spinnern nicht mehr genügend Material liefern konnten. Diese
Auftragshäufung führte zu Überstunden356.

Sommer und Herbst 1896 waren von einem schlechten Geschäftsgang gekennzeichnet. Bis
zum November trat wieder eine Besserung ein, nachdem die Rohstoffbeschaffung aus Amerika
nach den Präsidentschaftswahlen wieder reibungslos verlief. Für Karlstal hatten die Bestellungen
so stark zugenommen, daß ihre Ausführung in der üblichen Arbeitszeit nicht mehr
termingerecht bewältigt werden konnte. Durch Überstunden wurde eine Einbuße an Aufträgen
verhindert.

Ende 1898 und 1899 herrschte eine allgemein gute Beschäftigungslage; es gab zahlreiche
Aufträge. Die Konjunktur war teilweise durch einen Modewechsel angekurbelt worden. Meyer
mußte an sechs Tagen die Vorwerke länger laufen lassen als an gewöhnlichen Arbeitstagen.
Trotz dieser positiven Fakten war die Markt- und Gewinnsituation für Karlstal nicht besonders
günstig: Der Ertrag war nicht ausreichend, da die Rohbaumwolle verhältnismäßig teuer
beschafft werden mußte, die Preise für das fertige Gespinst aber zurückgingen. Die Ursachen
hierfür lagen in der letzten Baumwollernte. In Amerika war sie die umfangreichste seit dort
Baumwolle gepflanzt wurde. An ägyptischer Baumwolle, die in Karlstal seit 1890 ausschließlich
versponnen wurde, war jedoch weniger geerntet worden als in früheren Jahren. Die Folge war,
daß Gespinste aus amerikanischer Baumwolle immer billiger wurden und solche aus ägyptischer
immer teurer, was zu Einbußen bei letzteren führte. Bessere Abschlüsse für Baumwollgarne
und -gespinste konnten nicht gemacht werden; denn infolge sehr guter Ernteaussichten
für das laufende Jahr wurde schon im Sommer vor der Ernte (die im Oktober zu pflücken war)
die Baumwolle zu niedrigen Preisen angeboten. Auch die Konsumenten argumentierten mit der
billigen neuen Ernte und wollten keine hohen Summen bezahlen. Die Konkurrenz für Karlstal

355 SAS, Ho 202, POAH 1558 (Überstundenantrag).

356 Betriebsakten Karlstal; Eisgang: Zufrieren der Eyach-» Eisschollen-» Eisgang.

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