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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1982/0169
Rechtspflege in Hohenzollern

Industrie zum Landgericht Hechingen. Dies ermöglichte die Errichtung einer Kammer für
Handelssachen, deren Vorsitzender auf Vorschlag Württembergs zu ernennen war469.

Für die damalige Zeit mag es nämlich nahezu selbstverständlich gewesen sein, daß man die
Baiinger Bevölkerung nicht vollkommen preußischen Richtern und Beamten in Hechingen
und die Preußen Hohenzollerns nicht vollkommen der Stuttgarter Justiz unterwerfen konnte.
Deshalb findet sich in Art. 3 des Vertrages eine heute kurios anmutende Regelung, die wörtlich
wiederzugeben sich lohnt. Die Stelle eines Oberlandesgerichtsrats bei dem Oberlandesgerichte
Stuttgart wird von Württemberg auf Vorschlag des preußischen Justizministeriums und die
Stellen eines Landgerichtsdirektors, eines Landgerichtsrats, eines Staatsanwaltschaftsrats, eines
Kanzleibeamten und eines Justizwachtmeisters beim Landgerichte Hechingen werden von
Preußen auf Vorschlag des württembergischen Justizministeriums besetzt werden. Sollten wider
Erwarten besondere Bedenken gegen die vorgeschlagenen Personen bestehen, die sich durch
Verhandlungen nicht beheben lassen, so werden andere Personen in Vorschlag gebracht werden.
Im übrigen hatte in den ersten Jahren nach dem Vertragsschluß gemäß den Geschäftsverteilungsplänen
die eine Zivilkammer des Landgerichts hohenzollerische, die andere Zivilkammer
unter dem Vorsitz des württembergischen Landgerichtsdirektors württembergische Rechtssachen
zu behandeln, wie Landgerichtspräsident Dr. Dietrich in einem Zeitungsartikel zum
50-jährigen Jubiläum der Reichsjustizgesetze im Jahre 1929 hervorhob470.

Der Vertrag berührte die oben erwähnte Zuständigkeit des Kammergerichts Berlin für
Hohenzollern nicht471.

Das Inkrafttreten des Vertrages beging man am 10. April 1923 mit einem Festakt im
Landgerichtsgebäude Hechingen. Die Presse nahm vor und nach Vertragsschluß lebhaften
Anteil. Kritische Stimmen fehlten selbstverständlich nicht472.

Vielleicht ist es lohnend, noch einen Briefwechsel zwischen den Landgerichtspräsidenten in
Hechingen und Tübingen im Wortlaut festzuhalten473. Der Hechinger Landgerichtspräsident
schrieb am 30. 6. 1923 an seinen Tübinger Kollegen: Aus Anlaß der Gerichtsgemeinschaft
zwischen Württemberg und Preußen möchte ich mir gestatten, Euer Hochwohlgeboren meine
dienstliche Aufwartung zu machen. Da ich von Sonnabend, den 7. Juli nachmittags bis Sonntag,
den 8. Juli d.J. ohnehin in Tübingen anwesend sein werde, erlaube ich mir die ergebenste
Anfrage, ob es genehm wäre, wenn ich am Sonntag, den 8. Juli mittags gegen 12.00 Uhr auf dem
Landgericht Euer Hochwohlgeboren einen Besuch machen würde. Für eine baldgefällige
Antwort wäre ich sehr verbunden. Sollte der Zeitpunkt nicht gelegen sein, dann bitte ich um
einen freundlichen anderweiten Vorschlag, gez. Dietrich

Der Tübinger Landgerichtspräsident antwortete am 1. Juli 1923: Aus geschätzter Zuschrift
vom 30. Juni habe ich ersehen, daß Euer Hochwohlgeboren am nächsten Sonntag in Tübingen
anwesend sein werden. Es würde mich freuen, mit Ihnen zusammentreffen zu können. Ich
werde Ihrem Wunsch entsprechend bis 12.00 Uhr mittags auf meinem Amtszimmer im
Justizgebäude anwesend sein. gez. Graner.

Der Briefwechsel verdeutlicht dem aufmerksamen Leser, wie schnell sich die Verhältnisse,
in denen wir leben, ändern können.

Der Vertrag hätte nach 10 Jahren, also im Jahre 1933 gekündigt werden können. Ob dies
nicht geschah, weil sich der Vertrag bewährt hatte oder weil sich die politischen Verhältnisse

469 RegBl 1923, 110; GStA Rep. 84 a Nr. 6500 \95, 131 Rs.

470 HB 1929 Nr. 226.

471 GStA Rep. 84 a Nr. 6500 \94-95; vgl. auch S. 165 f.

472 Vgl. z.B. die in GStA Rep. 84 a Nr. 6500 aufbewahrten Zeitungsartikel und HB 1923 Nr. 83.

473 Spezialakten des Landgerichts Hechingen I A Nr. 6 Bd. I \10-11.

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