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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1982/0251
Württemberg-Hohenzollern als Land der französischen Besatzungszone

bracht224. In gewisse Verlegenheit kamen deshalb die Sozialdemokraten, als Niethammer
ausführte, es müsse doch wohl der Entwurf als Grundlage für die Beratung genommen werden,
der von der Fraktion eingereicht wurde, die die größte Wählerschaft hinter sich hat. Nun blieb
Staatssekretär Renner nichts anderes übrig, als sich auf die Feststellung zurückzuziehen, daß
der Entwurf Bock-Niethammer kein CDU-Fraktions-Antrag sei, denn der Abgeordnete Bock
habe den Auftrag ja nicht von der Fraktion, sondern vom Verfassungsausschuß erhalten. Darin
kam das selbstgeschaffene Dilemma der sozialdemokratischen Mitglieder des Verfassungsausschusses
deutlich zum Ausdruck. Einerseits lehnten sie den Entwurf Bock-Niethammer ab und
suchten beständig die nordwürttembergische Verfassung zur Grundlage der Debatte zu
machen. Andererseits mußte die SPD der CDU-Fraktion deren eigenen Entwurf streitig
machen und diesen als Entwurf des gesamten Ausschusses deklarieren, weil sie es versäumt
hatte, einen eigenen Entwurf vorzubereiten. Die Mehrheitsverhältnisse im Verfassungsausschuß
allerdings ließen die Position der SPD ohnehin als wenig aussichtsreich erscheinen. Als
der Abgeordnete Hermann am Ende der zweiten Ausschußsitzung schließlich den Antrag
einbrachte, der Verfassungsausschuß möge beschließen, in die Beratung des Entwurfes Bock-
Niethammer einzutreten, da wurde dieser Antrag mit elf gegen sieben Stimmen angenommen.
Inzwischen war in der Haltung der Tübinger Militärregierung offensichtlich eine Wendung
eingetreten. Nachdem ihr Zuwarten der deutschen Seite ein vergleichsweise ungestörtes
Arbeiten ermöglicht hatte, suchte sie durch kurzfristige Terminsetzung die Vorgänge wieder in
den Griff zu bekommen. Von dieser französischen Haltung wird später noch zu reden sein.
Jetzt jedenfalls war ersichtlich, daß der Druck, den die französische Militärregierung nun nach
einer taktischen Kehrtwendung auf den Verfassungsausschuß ausübte, diesen veranlaßte, zu
beschließen, die Verfassungsberatungen innerhalb einer einzigen Woche, vom 17. März bis
zum 22. März 1947, durchzuziehen. Nicht zuletzt in dieser erzwungenen Eile lagen die
Schwierigkeiten des Verfassungsausschusses begründet, die dann zu einer immer gereizteren
Atmosphäre und schließlich zum Zerfall des Ausschusses führten.

Der Entwurf Bock-Niethammer umfaßte 123 Artikel, die in 13 Abschnitte gegliedert
waren225. Er stand, wie andere Landesverfassungen und Verfassungsentwürfe der Zeit auch,
ganz unter dem Eindruck des eben überwundenen Hitlerreichs. Auch mit der Anrufung Gottes
in der Präambel unterschied sich der Entwurf nicht wesentlich von denen anderer Nachkriegsländer
. Der Abschnitt I des Entwurfs Bock-Niethammer handelte von der Staatsform und den
Staatsgrenzen. Die Urheber des Entwurfs hatten hier - im Gegensatz zu dem zweiten späteren
Entwurf und der schließlich angenommenen Verfassung - nur die verhältnismäßig vage
Formulierung getroffen, wonach Württemberg-Hohenzollern ein Freier Volksstaat sei und ein
Glied der Gemeinschaft, zu der die deutschen Staaten sich zusammenschließen werden (Art. 1).
Abschnitt II behandelte recht knapp das Wesen und die Aufgabe des Staates, worunter
summarisch auch die unveräußerlichen Menschenrechte subsummiert worden waren. Ferner
wurde der Staat auf eine verhältnismäßig subsidiäre Rolle zurückgedrängt und ihm nur eine

224 Auch nach außen und anderen Beratenden Landesversammlungen gegenüber vertrat Bebenhausen
den Entwurf Bock-Niethammer als Niethammers gleichsam privaten Entwurf, vgl. das Schreiben des
Präsidenten der Beratenden Landesversammlung für Württemberg-Hohenzollern, Karl Gengier, an den
Präsidenten der Beratenden Landesversammlung für Baden, Karl Person, vom 20. 2. 1947, in: StA Freiburg
A 1/22: Ich sende Ihnen noch den Entwurf unseres CDU-Abgeordneten, Herrn Prof. Dr. Niethammer
(Staatsrechtslehrer), zu, über den wir gegenwärtig in der Fraktion diskutieren. Es handelt sich also zunächst
nur um einen persönlichen Entwurf. Die enscheidende Fraktionssitzung der CDU bezüglich der Verfas-
sunggebung fand offenbar am 31. 1. 1947 statt, vgl. das Schreiben Genglers vom 25. 1. 1947, in: StA
Freiburg A 1/6. Offensichtlich wurde trotz Widersprüchen Niethammers Entwurf in der Folge im
Bebenhauser Verfassungsausschuß als CDU-Entwurf präsentiert und vertreten.

225 Exemplare in: StA Sigmaringen Wü 1-1 a. Dabei ist auf die ursprüngliche Fassung zu achten, nicht auf
die offenbar im Laufe der Beratungen handschriftlich oder durch Einfügungen veränderten Versionen.

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