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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1982/0254
Gerd Friedrich Nüske

se, aber viele Abstimmungsergebnisse zugunsten des Entwurfs Bock-Niethammer, die exakt
den parteipolitischen Mehrheitsverhältnissen im Verfassungsausschuß entsprachen. Für die
anderen Parteien bedeutete dies über kurz oder lang, sich zu einer demonstrativen Handlung
entschließen zu müssen, um nicht das Gesicht zu verlieren. Für die SPD war die Gelegenheit
dazu bei der Erörterung der Eigentumsgarantie im Entwurf Bock-Niethammer gekommen230.
Hier fürchtete die SPD, durch die Formulierung von Bock und Niethammer werde künftig eine
Sozialisierung oder eine Bodenreform unmöglich gemacht231. Die Liberalen ihrerseits waren
trotz Anderungsvorschlägen von den Formulierungen des Entwurfs Bock-Niethammer bezüglich
des Eigentums nicht allzuweit entfernt. Deshalb kam es über Artikel 12 zu einem
Kompromiß zwischen CDU und DVP, der von der ursprünglichen Fassung abwich. Demgegenüber
verlangte der Abgeordnete Erler für die SPD die Übernahme von Artikel 8 Absatz IV
der Stuttgarter Verfassung232. Erler führte aus: Wir verlangen nicht, daß Sie eine sozialistische
Verfassung schaffen, wir wünschen aber, daß Sie die Möglichkeit hierzu nicht verbauen. Bock
hielt der SPD vor, sie wolle in Wirklichkeit gar keine Entschädigung bei Enteignung gewähren,
was von dieser mit der Feststellung beantwortet wurde, man wolle eine angemessene
Entschädigung. Als die Bock'sche Formulierung mit der überwältigenden Mehrheit von CDU
und DVP angenommen wurde, bezeichnete die SPD dies für eine Entscheidung von grundsätzlicher
Bedeutung und erklärte ihren Rückzug aus der Arbeit des Verfassungsausschusses.
Offenbar hatte sich die SPD-Fraktion in der voraufgegangenen Mittagspause auf dieses
Vorgehen geeinigt. Der Abgeordnete der KPD schloß sich dem Auszug der SPD an. Die
Abgeordneten Roser, Erler und Wieland verließen demonstrativ das Sitzungszimmer.

Zuvor hatte namens der SPD Kurt Erler noch den Rückzug näher zu erklären versucht.
Danach wollte seine Partei ihr Vorgehen nicht so verstanden wissen, als ob es den Sozialdemokraten
darum ginge, die Arbeit des Verfassungsausschusses lahmzulegen. Vielmehr komme es
der SPD darauf an, den anderen Parteien die Möglichkeit zu geben, in einem möglichst kurzen
Zeitraum die Verfassung schnell zum Abschluß zu bringen. Verbitterung sprach deutlich aus
Erler, als er besonders der CDU entgegenhielt: Wir sind Ihnen, wie die Beratungen gezeigt
haben, nicht von Nutzen. Die Verfassung trägt Ihren Geist und Sie wollen, daß sie Ihrem Geist
angemessen ist. Wir sind dabei nicht von Nutzen und halten es für zweckmäßig, die Verfassung
dem Volke so vorzulegen, wie Sie es für zweckmäßig halten. Der Abgeordnete Leuze bemerkte

230 Ebd. S. 22 f.

231 Ebd. S. 24: Abgeordneter Erler (SPD): Wir wollen auch nicht durch eine zu enge Fassung eine
Entwicklung ausschließen, die sich jetzt in ganz Deutschland vollzieht.

232 Ebd. S. 28: Abgeordneter Erler (SPD); Art. 12 Entwurf Bock-Niethammer: Abs. 1: Das Eigentum
wird gewährleistet, jedermann darf Eigentum erwerben und darüber verfügen. Durch Arbeit und
Sparsamkeit erworbenes Vermögen wird besonders geschützt. Abs. 2: Eigentum verpflichtet gegenüber der
Gesamtheit. Sein Gebrauch darf dem Gemeinwohl nicht zuwiderlaufen. Abs. 3: Eigentum darf nur um eines
öffentlichen Bedürfnisses willen und nur gegen angemessene Entschädigung beschränkt oder entzogen
werden. Ein Gesetz regelt das Verfahren. Im Streitfall entscheidet das ordentliche Gericht über Art und
Höhe der Entschädigung. An. 8 Verfassung von Württemberg-Baden: Abs. 1: Das Eigentum wird
gewährleistet. Jedermann darf auf Grund der Gesetze Eigentum erwerben und darüber verfügen. Abs. 2:
Durch Arbeit und Sparsamkeit erworbenes Eigentum genießt besonderen Schutz. Abs. 3: Eigentum
verpflichtet gegenüber der Gemeinschaft. Sein Gebrauch darf dem Gemeinwohl nicht zuwiderlaufen.
Abs. 4: Eigentum darf nur im öffentlichen Interesse durch Gesetz, nur in dem darin vorgesehenen Verfahren
und im Regelfalle nur gegen angemessene Entschädigung eingeschränkt oder entzogen werden. Soweit die
Gesetze nichts anderes bestimmen, sind für Streitigkeiten über Art und Höhe der Entschädigung die
ordentlichen Gerichte zuständig. Der Vergleich der Bestimmungen zeigt deutlich, wie gering die sachlichen
Unterschiede waren, zumindest was diesen Teil der Verfassung anbetraf. Zunächst kaum überbrückbar
waren die Unterschiede bezüglich der Stellung des Regierungschefs, der Einführung eines Zweikammersystems
und in der Schulfrage.

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