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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1982/0259
Württemberg-Hohenzollern als Land der französischen Besatzungszone

davon zurückzulassen, daß nun für seine Partei ein Wendepunkt gekommen sei: Ich halte es als
ein Gebot des fair play, vor der Abstimmung zu sagen, daß dieser Punkt für und von sehr großer
Wichtigkeit ist, und daß eine Ablehnung dieses Antrags uns vor sehr emste Entschlüsse stellen
kann. Ich bitte Sie, diese Bemerkung in gar keiner Weise als Druckentfaltung zu verstehen,
sondern so zu verstehen, daß es mir als ein Gebot der Faimess erscheint, das vorher zu sagen.
Niethammer, offenbar doch etwas irritiert von der Entschlossenheit der DVP, versicherte sich
noch einmal, daß die Antragsteller auch dafür plädierten, daß der Ministerpräsident vom
Landtag gewählt werden solle. Leuze bejahte dies unmißverständlich: Die Regierung soll aus
dem Landtag hervorgehen und vom Vertrauen des Landtags gewählt werden, wie es in
Artikel 73 der Stuttgarter Verfassung zum Ausdruck kommt .

Angesichts des sich abzeichnenden endgültigen Auseinanderbrechens des Verfassungsausschusses
suchte die CDU-Fraktion dem Konflikt in letzter Minute die größte Schärfe zu
nehmen, ohne sich aber in der Sache irgendwie kompromißbereit zu zeigen251. Kultminister
Sauer plädierte für eine Sitzungsunterbrechung, Bock für Einschaltung der jeweiligen Gesamtfraktionen
der Beratenden Landesversammlung. Doch weder diese kurze Sitzungsunterbrechung
noch eine längere brachten eine Wende. Im Gegenteil, während der zweiten Pause waren
die Ausschußmitglieder der DVP nach Tübingen gefahren, um dort mit Parteifreunden
Rücksprache zu nehmen. Daneben hatten offenbar aber auch Gespräche zwischen CDU und
DVP stattgefunden mit dem Ziel, wechselseitige Zugeständnisse aushandeln und so doch zu
einer Einigung über den Verfassungsentwurf Bock-Niethammer zu gelangen. Jedenfalls war
dies der Erklärung zu entnehmen, die Leuze namens seiner Fraktion am Abend des 19. März
1947 vor dem Verfassungsausschuß in Bebenhausen abgab. Danach muß es sich um Zugeständnisse
der CDU an die DVP in der Frage des Regierungssystems einerseits und um Zugeständnisse
der DVP an die CDU in der Schulfrage andererseits gehandelt haben. Vor allem hatte die
CDU offenbar vorgeschlagen, daß sowohl der Landtag als auch der Staatspräsident aus
allgemeinen Wahlen hervorgehen sollten, der Staatspräsident darüber hinaus vom Vertrauen
des Parlaments abhängig sein sollte. Diese Konstruktion aber meinte die DVP als in sich selbst
widerspruchsvoll ablehnen zu müssen: Ein vom Volk gewählter Staatspräsident, der ebenfalls
vom Vertrauen des Landtags getragen sein muß, ist eine Unmöglichkeit. Mit weiteren
Einzelheiten konnte sich Leuze kaum verständlich machen. Das amtliche Protokoll des
Verfassungsausschusses verzeichnet an dieser Stelle nur: Das Folgende war durch eine Unruhe
nicht zu verstehen. Hier wird die spannungsgeladene Atmosphäre besonders deutlich, wie sie
im Verfassungsausschuß von Bebenhausen jedenfalls während der Beratung des Entwurfs
Bock-Niethammer geherrscht hat. Diese Erregung war zum einen gewiß Folge des von der
französischen Militärregierung auf den Verfassungsausschuß ausgeübten Termindrucks. Zum
andern aber war die Gereiztheit auch Ergebnis der von der CDU-Fraktion an den Tag gelegten
kompromißlosen Haltung und ihres Bemühens, ihren Entwurf unverändert durchzusetzen.
Nicht zuletzt sich selbst hatten die CDU-Abgeordneten unter einen Erfolgszwang gestellt, der
den Eklat unausweichlich machte. Auch die Liberalen schieden aus dem Verfassungsausschuß
der Beratenden Landesversammlung von Bebenhausen aus.

250 Ebd. (wie Anm. 237) S. 62 Abgeordneter Dr. Leuze. Artikel 73 der Verfassung von Württemberg-
Baden: Die Regierung bedarf zu ihrer Amtsführung des Vertrauens des Landtags. Entzieht ihr der Landtag
mit mehr als der Hälfte der gesetzlichen Zahl seiner Mitglieder sein Vertrauen, so muß sie ihren Rücktritt
erklären. Der Rücktritt wird erst rechtswirksam, wenn der Landtag der neuen Regierung das Vertrauen
ausspricht. Der Ministerpräsident, die Regierung und die Minister können jederzeit ihren Rücktritt erklären.
Im Falle des Rücktritts sind die Geschäfte bis zur Neubildung einer Regierung oder bis zur Neuernennung
des Ministers weiterzuführen. Dies war im übrigen die erste Normierung des konstruktiven Mißtrauensvotums
, wie es später ähnlich auch in das Bonner Grundgesetz eingehen sollte.

251 Zum folgenden vgl. die Niederschrift (wie Anm. 237) S. 62ff. und die Erklärung der DVP am 19. 3.
1947 vor dem Verfassungsausschuß, in: StA Sigmaringen Wü 1 Anlage zu 20.

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