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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1982/0276
Gerd Friedrich Nüske

Das unterschiedliche Vorgehen in den einzelnen Ländern

In den Ländern der französischen Zone hatte es seitens der Militärregierung in Baden-Baden
keine zentrale Einflußnahme auf die Verfassunggebung gegeben, anders als bei den Amerikanern
. Zumindest lassen die auf deutscher Seite im Zusammenhang mit der Verfassunggebung
entstandenen Akten eine derartige Annahme nicht zu. Soweit die Militärregierungen in
Koblenz, Freiburg und Tübingen Einfluß nahmen, taten sie dies in nach Intensität und
bezüglich der strittigen Einzelheiten ganz unterschiedlicher Weise und Zielrichtung. Wenn
auch die Militärregierungen in den drei Landeshauptstädten sicher auch in der Verfassungsfrage
nicht ganz auf eigene Faust vorgegangen waren, so gab es doch keine gemeinsame Grundlinie.
Während, wie gezeigt, in Koblenz und Freiburg die französischen Militärregierungen massiv
und von Anfang an in die Verfassunggebung eingriffen, hielt sich die Militärregierung in
Tübingen auffällig zurück. Noch am 15. Januar 1947 versicherte namens der Tübinger
Militärregierung der Präfekt Roulies dem Präsidenten der Beratenden Landesversammlung,
Gengier, daß den Deutschen von der Militärregierung bei der Verfassunggebung keine Frist
gesetzt sei. Gengier notierte: Wir hätten in der Verfassung Freiheit™. Gebhard Müller
unterstreicht noch heute, daß die Tübinger Militärregierung keinen irgendwie erwähnenswerten
Einfluß auf die Verfassungsberatungen ausgeübt hätte305.

Die zögerliche Haltung der französischen Militärregierung in Tübingen ist im einzelnen
schwer zu deuten. Bis auf weiteres muß die Vermutung gelten, daß sie - wohl nur im
Einverständnis mit Baden-Baden - auch in der Verfassungsfrage eine eindeutige Festlegung in
Südwürttemberg scheute. Der französischen Militärregierung in Tübingen schien zwar bewußt
zu sein, daß letztlich eine Verfassung auch für Württemberg-Hohenzollern nicht zu vermeiden
war, andererseits schien sie aber vor der dann offenkundigen Festschreibung eines südwürttem-
bergischen Staates unter französischer Besatzung immer noch zurückzuschrecken. Genau die
gleiche zwiespältige französische Haltung war ja schon bei der Einsetzung des Tübinger
Staatssekretariats unter Staatsrat Carlo Schmid zu beobachten gewesen, als sich die französische
Militärregierung erst im letzten Augenblick dazu entschloß, auch in Tübingen selbst eine Art
deutscher Regierung einzusetzen. Aber noch dabei waren die Franzosen ja aufs äußerste
bemüht gewesen, der Investitur der deutschen Regierung möglichst den Anschein des
Provisorischen und des Unverbindlichen zu geben .

Nachdem im Verlauf des Frühjahrs 1947 jedoch die Beratung des Verfassungsentwurfs
Bock-Niethammer abgeschlossen worden war, schien die Tübinger Militärregierung erkannt
zu haben, daß weiteres Sichbedeckthalten den Abschluß der Verfassungsarbeiten keineswegs
verhindern werde, sondern, im Gegenteil, für die Deutschen nur ungestörte Arbeitsmöglichkeiten
bedeutete, verglichen mit den Pressionen, denen die Verfassungsausschüsse der Beratenden
Landesversammlungen der anderen Länder der französischen Besatzungszone ausgesetzt
waren. Die Militärregierung trat wohl deshalb unvermutet die Flucht nach vorn an. Mitte März
1947 mußte Carlo Schmid dem Verfassungsausschuß mitteilen, die Militärregierung wünsche,
daß ihr der Entwurf des Ausschusses spätestens am Samstag vorgelegt wird107.

304 Aktennotiz über die Besprechung bei der Militärregierung am 15. 1. 1947, anwesend für die
Militärregierung: Präfekt Roulies, Capitain Hindenoch, für die Beratende Landesversammlung: Präsident
Gengier, in: StA Freiburg A 1 [Badischer Landtag]. Die gleiche Aktennotiz in: StA Sig Wü 2/549/2/11 und
ebd. 1/15.

305 Präsident Professor Dr. Gebhard Müller wiederholt gegenüber dem Verfasser.

306 Vgl. oben S. 237f.

307 Schreiben des Staatsrats Professor Dr. Carlo Schmid an den Vorsitzenden des Verfassungsausschusses
der Beratenden Landesversammlung vom 18. 3. 1947, in: StA Sig Wü la/1/22. Daß sich die französische
Militärregierung in Tübingen bislang wenig um die Verfassungsarbeit gekümmert hatte, kam wohl auch in

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