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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1982/0278
Gerd Friedrich Nüske

Denn Gengier hatte zuvor in einer längeren Ansprache nicht nur den Gouverneur begrüßt,
sondern auch und vor allem an die zahlreichen ungelösten und drängenden Aufgaben und
Probleme der Zeit erinnert.

Aus der Geschichte der Verfassunggebung in Württemberg-Hohenzollern sollen noch zwei
Bereiche herausgegriffen werden, bei denen schon die Zeitgenossen, aber gelegentlich auch
spätere Historiker eine bemerkenswerte Haltung der französischen Militärregierung feststellten
. Zum einen handelt es sich dabei um das Engagement der Franzosen in der südwürttem-
bergischen Schulfrage, zum anderen um die Hinnahme der Verfassungsbestimmung, wonach
Württemberg-Hohenzollern Bestandteil der Bundesrepublik sei. Im einen Fall wird also ein
Tätigwerden der Franzosen unterstellt und gewertet, im anderen Fall wird die Untätigkeit der
Franzosen zu weitreichenden Schlußfolgerungen herangezogen. Die weitestgehende Bedeutung
hat diesen Vorgängen wohl der spätere Staatspräsident von Württemberg-Hohenzollern,
Gebhard Müller, zugeschrieben, wenn er auf Seiten der französischen Militärregierung die
Konzeption einer laizistischen Schule nach französischem Vorbild vermutet314. Freilich war der
französischen Militärregierung auch an dem Wiederaufbau des deutschen Schulwesens gelegen,
und freilich waren die Franzosen auf dem Gebiet der Kultur- und Schulpolitik engagierter als
die anderen Alliierten. Von einer laizistischen Schule nach französischem Vorbild zu sprechen,
ist aber nicht gerechtfertigt, wie gerade das Beispiel Württemberg-Hohenzollern zeigt.
Vielmehr standen die französischen Vorstellungen deutlich in der Tradition der bürgerlichen
Aufklärung. Sie waren nicht christentumsfeindlich, sie sahen im Christentum aber nur einen
Zweig des abendländischen Humanismus. Gegenüber dem Religionsunterricht verhielt sich die
Militärregierung im allgemeinen gleichgültig. Entschieden wandte sie sich jedoch gegen die
Einführung eines konfessionellen Schulsystems315. Wenn es der deutschen Seite in Württemberg
-Hohenzollern dennoch gelang, die Elternrechtsschule gegen die französische Militärregierung
durchzusetzen, so zeigte dies, wie weit die Franzosen hier von der gleichsam automatischen
Einführung französischer Schulvorbilder entfernt waren316.

Das andere Beispiel war die französische Hinnahme des Artikels der Verfassung von
Württemberg-Hohenzollern gewesen, wonach Württemberg-Hohenzollern ein Glied der
deutschen Bundesrepublik sei. Der Entwurf Bock-Niethammer hatte diese Bestimmung noch
nicht enthalten. Sie ist im Text der Volksabstimmung vom 18. Mai 1947 zu finden und ging auf

anknüpfen an alte Traditionen einstiger kultureller und wirtschaftlicher Verbundenheit mit Frankreich. Von
der neuen Gestaltung des Verhältnisses zwischen Frankreich und Deutschland hängt der Frieden und der
Aufhau Europas ah. In Offenheit, Loyalität und Vertrauen wollen wir mit der Besatzungsmacht
zusammenarbeiten. Auf dieser Grundlage erhoffen wir mit der fortschreitenden demokratischen Entwicklung
auch eine Verringerung der Beschwernisse und Lasten, wie sie eine Militärbesetzung mit sich bringt.

314 Vgl. dazu die Ausführungen Gebhard Müllers in: Verfassungen im deutschen Südwesten
1946-1953. Protokoll der Arbeitsgruppe 2. Jahresversammlung 1981 in Bruchsal der Kommission für
geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg S. 4: Sie [die Franzosen] seien absolute Anhänger der
laizistischen Schule gewesen.

315 Zur Konzeption der Militärregierung im Schulbereich in Württemberg-Hohenzollern vgl. Winkeler
(wie Anm. 255) S. 24-29.

316 Vgl. Gebhard Müller (wie Anm. 314) S. 4: Trotzdem hätten er [Müller] und Niethammer in
Verhandlungen mit der Besatzungsmacht die Konzeption der Elternrechtsschule durchgesetzt. Ihrer
Argumentation hätten die Franzosen schließlich nichts entgegenzusetzen gehabt, erstens wegen der darin
enthaltenen allgemeinen demokratischen Grundsätze (Selbstbestimmung der Eltern), zweitens weil sie eine
Gegenkonzeption zur seinerzeitigen Abschaffung der Konfessionsschule durch die Nationalsozialisten
darstellte.

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