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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1982/0299
Besprechungen

eine extrem unerträgliche oder sich zu Ende des Mittelalters verschlechternde Lage seiner Bewohner hin;
singulare Bedeutung erlangte Nikiashausen allein durch das Auftreten des ekstatischen Predigers Hans
Behem« (S. 185). Hinzuzufügen wäre, was sich implizit aus dem Text auch ergibt, daß das Dorf
Nikiashausen nur Ziel der Wallfahrer war - wahrscheinlich weil es eine Marienkirche hatte, die schon
einmal eine Wallfahrt erlebt hatte. Die Menschen, die dahin zogen, waren jedoch aufgrund der allgemeinen
Mißstände der Zeit anfällig für soziale Bewegungen - nicht für eine Revolution, jedoch für eine Revolte, wie
sie 1476 in Nikiashausen und vor Würzburg für eine kurze Zeit hervorbrach.

Wegen der Originalität der Fragestellung, der Sorgfalt der Quellenauswertung und der eingängigen
Schreibweise stellt die Arbeit für zwei Gebiete der spätmittelalterlichen Forschung eine wirkliche
Bereicherung dar: für die Untersuchung von sozial-religiösen Bewegungen und für dörfliche Strukturanalysen
.

Im umfangreichen Anhang ediert Arnold alle Quellen zur Niklashäuser Wallfahrt 1476 und eine
Auswahl der frühen rechts- und wirtschaftsgeschichtlichen Quellen des Dorfes.

Konstanz Gudrun Sräga

Walter-Siegfried Kircher: Ein fürstlicher Revolutionär aus dem Allgäu. Fürst Constantin von Waldburg-
Zeil 1807-1862. Kempten: Allgäuer Zeitungsverlag 1980. 272 S.

War er nun Demokrat oder war er es nicht oder war er es nur, weil damit Württemberg und sein König
zu ärgern waren? So etwa lauteten bisher die Fragen, wenn man auf der äußersten Linken der Paulskirche
auch den Fürsten Constantin von Waldburg-Zeil-Trauchburg sitzen sah. Der Fragen, die längst beantwortet
sein sollten, hat sich nun Walter-Siegfried Kircher im Anschluß an seine Dissertation »Adel, Kirche und
Politik in Württemberg 1830-1851«, Göppingen 1973, angenommen. Dazu konnte er die persönlichen
Papiere des Fürsten aus dem Archiv auf Schloß Zeil einsehen. Einige Dokumente daraus finden sich im
Anhang, im Text dann viel Zeitgenössisches, Faksimiles, Porträts, Aquarelle, gelungenes Colorit einer
ebenso gelungenen Arbeit. Diese selber war nicht leicht, galt es doch, an den Punkt heranzuführen und
diesen dann auch plausibel zu machen, wo ein Fürst, der nach Herkunft und Erziehung am anderen Ende
der Revolution stehen sollte, ausbrach und zum »fürstlichen Revolutionär« wurde. Kircher gelang dies,
indem er, dem Lebensgang des Fürsten folgend, einmal seine Persönlichkeitsstruktur verdeutücht: ein
selbstbewußter Mann, frei heraus, oft aneckend, selber empfindlich und vor allem politisch interessiert.
Dann schildert er den Kampf des katholischen Standesherrn für die Unabhängigkeit der Kirche in
Württemberg. Politisch stand er der romantisch-katholischen Restauration nahe, war also Ständisch-
Konservativer und als solcher voller Aversion gegen allen Absolutismus, Staatskirchentum und Bürokratie.
Mit dem politischen Katholizismus teilte er auch die Ablehnung des Liberalismus. Und schließlich wird
immer wieder der Zorn des Mediatisierten auf den Territorialstaat sichtbar - »Lieber Sauhirt in der Türkei
als Standesherr in Württemberg« -. Momente der Renitenz lagen also vor. Trotzdem ist der Fürst, als die
Revolution ausbrach, noch Konservativer, wollte sogar einen Aktionsverein gegen den Umsturz zusammenbringen
, womit er freilich scheiterte, mehr noch, gerade die, die er ansprach, vom König bis zu seinen
Standesgenossen, gaben der Revolution nach. Der Fürst war in einer Weise enttäuscht, daß ihn sein auf
Widerspruch angelegter Charakter über Nacht zum Parteigänger der »siegreichen« Revolution werden ließ.
Diese abrupte Wende brachte ihm naturgemäß den Vorwurf des Opportunismus ein. Kircher konnte ihn
entkräften, indem er darstellte, wie der Fürst auch dann noch Demokrat blieb, als in Württemberg bereits
wieder die Reaktion herrschte. Noch zweimal ließ er sich als solcher in den württembergischen Landtag
wählen und als dies dem Standesherrn nicht mehr erlaubt war, sorgte er dafür, daß einer der prominentesten
Linken des Landes, Wilhelm Zimmermann, der Historiker des Bauernkrieges und evangelische Pfarrer,
sein Nachfolger wurde.

Nun kam gewiß nicht alles, was der Fürst 1848 vertrat, aus der Demokratie. Daß sich Zeils Vorstellung
von einer deutschen Nationaleinigung aus der Erinnerung an das Alte Reich nährte, daß er mehr von den
deutschen Stämmen sprach als von den Ländern, daß er an Habsburg festhielt und vor allem auch, daß er
sich im einfachen Volk eine eigene politische Klientel gegen den alten Obrigkeitsstaat und gegen den
»modernen« des Liberalismus schuf, das war - hier hätte Kircher zur Verdeutlichung von Zeils Standort
besser einordnen können - Gemeingut des politischen Katholizismus, dem er zunächst einmal angehört.
Nur dies gesagt, macht auch schon die Unterschiede deutlich, eben Zeils radikale Hinwendung zur
Demokratie unter voller Anerkennung ihres tragenden Prinzips, der Volkssouveränität. Und ein Zweites:

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