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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1983/0174
Gerd Friedrich Nüske

Erst recht stand die deutsche Stadtverwaltung in Stuttgart dem französischen Treiben hilflos
gegenüber. Oberbürgermeister Klett führte wiederholt bei General Schwarz vor allem über die
zahlreichen Vergewaltigungen Klage. Klett handelte sich dafür am 28. April die folgende
Antwort ein, wie er es schriftlich festhielt: Zum Schluß wies ich noch besonders auf die immer
vorkommenden Vergewaltigungen hin, worauf der General dafür Verständnis zeigte, aber auch
betonte, daß derartige Vergewaltigungen in den von Deutschland eroberten Ländern auf Befehl
der SS vorgenommen worden seien, während hier wenigstens von den Franzosen kein Befehl für
derartige strafbare Handlungen erteilt würde...4". Straftaten haben bekanntlich die verschie-
denstens Nutznießer. So war es kein Wunder, wenn beim Stuttgarter Oberbürgermeisteramt
auch Schreiben eingingen wie das eines Stuttgarter Bürgers mit einem »Vorschlag zur teilweisen
Verhütung von Vergewaltigungen« vom 6. Mai 1945500. Um die Vergewaltigungen in Stuttgart
einzudämmen, wurde darin vor allem die sofortige Einrichtung von Bordellen in Stuttgart
vorgeschlagen: Es dürfte die Frage auftreten, woher man das Material von dazu geeigneten
Frauen bringt. Dazu schlug der Schreiber vor:... eine Importierung aus Frankreich wäre auch
möglich, was Deutschland in diesem Krieg teilweise mit Flugzeugen durchgeführt. Oberbürgermeister
Klett schlug dem Schreiber ernsthaft vor, sich wegen seiner Vorschläge für die
Einrichtung eines Bordells und seiner Sachkenntnisse an den Stuttgarter Polizeipräsidenten zu
wenden, der seinerseits schon die notwendigen Vorbereitungen für die Einrichtung eines
Bordells getroffen hat501.

Vor allem die Ereignisse in Stuttgart hatten später noch durch eine vereinzelte Anfrage im
amerikanischen Senat502 und durch eine Untersuchungskommission der Pariser Nationalversammlung
über die Verhältnisse in der französischen Besatzungszone in Deutschland ein
gewisses Echo gefunden503. Dies alles kann und soll hier nicht weiter ausgebreitet werden.
Worauf es ankam, war mit wenigen Beispielen, die sich aber beliebig wiederholen ließen, einen
der Gründe anzusprechen, warum die Deutschen der französischen Besatzungsmacht von
Anfang an voreingenommen gegenüberstanden.

Neben der zuvor erwähnten unverhältnißmäßigen Überzeichnung des deutschen militärischen
Widerstandes in Südwestdeutschland und der damit verbundenen Rechtfertigung der
durch französische Truppen verursachten Zerstörungen, war es das äußerliche Erscheinungsbild
der französischen Truppen, das für die Deutschen einen weiteren Widerspruch begründete.
Es war nämlich nicht zu übersehen gewesen, daß die französische Armee mit ärmlichen
materiellen Verhältnissen auskommen mußte und dabei noch in mehrfacher Hinsicht vom
amerikanischen Verbündeten abhängig war. Wie anders stellte sich dagegen die US-Armee dar.

499 Akten der Kanzlei des Oberbürgermeisters der Stadt Stuttgart im StadtA Stuttgart: 0310-0 (»Verwaltung
durch die Militärregierung«) o. Nr. (Geheimer Aktenvermerk über die Vorsprache bei der
Militärregierung am 28. 4. 1945.)

500 Ebd.: 0315-7 (»Ausschreitungen, Belästigungen und sonstige Übergriffe von Angehörigen der
Besatzungsmacht«) o. Nr. (Schreiben vom 6. 5. 1945, beglaubigte Abschrift).

501 Ebd. o. Nr. (Schreiben des Oberbürgermeisters vom 8. 5. 1945).

502 Vgl. dazu ebd. o. Nr. (»Vergewaltigungsklagen in Stuttgart hören unter der U.S.Herrschaft auf«,
vom 10. 8. 1945) S. 1: Angesichts des Lärms über die Sache, besonders seit der Aussage von Senator Eastland
(D., Miss.) im Kongreß, daß 5000 Stuttgarter Frauen und Mädchen in einem unterirdischen Gang
festgehalten und vergewaltigt worden wären, zögern die US Armeeleute, einen amtlichen Kommentar zu
geben... Der Chef der deutschen Polizei, Karl Weber, sagte, die meisten der Frauen seien in ihren
Wohnungen von beturbanten marokkanischen Truppen überfallen worden, die bei ihren Plünderungs- und
Raubzügen die Türen einschlugen. Der amtliche deutsche Bericht gibt 1198 Fälle von Vergewaltigungen an,
und zwar Frauen im Alter von 14 bis 74. Weber sagte, jeder dieser Fälle sei erwiesen und er schätze, daß die
doppelte Zahl überfallen worden sei, sich jedoch schäme, Anzeige zu erstatten.

503 Zu dieser Untersuchungskommission vgl. die Beilagen zu den Parlamentsprotokollen der Nationalversammlung
: Annales de PAssemblee Nationale Constituante, Elue le 21 octobre 1945. Documents-
Annexes.

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