Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1983/0215
Besprechungen

zünftischen sozial abgehoben« (S. 153). 2. Im Laufe der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts steigert sich der
Einfluß der Handwerkerzünfte innerhalb der entscheidenden Gremien und in den wichtigsten Bereichen
der städtischen Politik kontinuierlich auf Kosten des Patriziats. Die Bedeutung dieser Analyse liegt darin,
daß sie nicht in verkürzender Weise den politischen Einfluß einzelner Schichten gleichsetzt mit ihrer
numerischen Vertretung im Rat, sondern der tatsächlichen Partizipation an EntScheidungsprozessen mit
überzeugenden Methoden nachgeht.

Der abschließende Teil der Untersuchung fragt nach den Ursachen dieses sozialen Strukturwandels in
der politischen Führungsschicht und zeigt seine konkreten Auswirkungen anhand der Gewerbeordnung
von 1526 auf. Der zunehmende Einfluß der Handwerkerzünfte wird erklärt durch Wandlungen in der
politischen Struktur der Stadt, d.h. durch die Verfassungsänderung von 1515, die das Patriziat seiner
Privilegien beraubte und ein Machtvakuum hinterließ, in das die Handwerkerzünfte hineinstoßen konnten,
sowie durch zwei »Autoritätskrisen der traditionellen herrenzünftischen Führungsschichten« (S. 293)
(Pensionensturm von 1521 und Reformation von 1529). In der Gewerbeordnung von 1526 sieht der
Verfasser ein sichtbares Indiz des gewachsenen Einflusses der Handwerker auf die Politik, da sie »nach
zunfthandwerklichen Normen in die Struktur des Handels« eingriff (S. 282). Sie rechtfertige im Zusammenhang
mit der für die anderen Bereiche aufgeführten stärkeren Partizipation der Handwerker an
politischen EntScheidungsprozessen die Charakterisierung der politischen Struktur Basels im frühen
16. Jahrhundert als »Handwerksregiment«. Gerade diese Bezeichnung aber ist m. E. aufgrund der Studie
nicht haltbar. Est stimmt zwar, daß das Zunfthandwerk im untersuchten Zeitraum zunehmenden
politischen Einfluß gewann, dominierend wurde es als Schicht jedoch nie, denn erstens war in äußerst
Signifikaten Bereichen der städtischen Politik seine Rolle eher marginal, wie die Abhandlung zeigt. Die
städtische Finanzpolitik lag praktisch ausschließlich in den Händen der herrenzünftischen Ratsgruppe. In
der Außenpolitik spielten Handwerker im Vergleich zum Patriziat und der handeltreibenden Oberschicht
eine untergeordnete Rolle. Zweitens ist es äußerst zweifelhaft, ob in den in der politischen Führungsschicht
vertretenen Handwerkern typische Repräsentanten ihrer sozialen Gruppen gesehen werden dürfen. Wie
der Verfasser selbst belegt, waren die soziale Basis des von ihm so bezeichneten Handwerksregiments
Gewerbetreibende, »die sich gegenüber den Handwerkern insgesamt als sozial abgehobene ratsfähige
Oberschichten innerhalb der Zünfte profilierten. In der Tendenz dürfte es sich beim Handwerksregiment
denn auch um vermehrte Teilhabe einzelner vorab marktorientierter handwerkerzünftischer Oberschichtangehöriger
am Regiment gehandelt haben« (S. 294). Wie begrenzt drittens der tatsächliche Einfluß der
Handwerkerschaft war, zeigt gerade die Gewerbeordnung von 1526. Sie wurde nicht in die Praxis
umgesetzt und 1552 wieder aufgehoben. Der Verfasser hat somit nicht die letzte Konsequenz aus seiner
eigenen Studie gezogen, indem er auf die 1886 von Traugott Geering vorgenommene Charakterisierung
»Handwerksregiment« verzichtete.

Wenn in der Rezension auf spezifische Mängel der Untersuchung eingegangen wurde, so darf nicht
übersehen werden, daß sie zu einem großen Teil in der besonderen Quellenlage begründet liegen oder aber
nur durch einen im Rahmen einer Dissertation schlechthin nicht zu leistenden zusätzlichen Untersuchungsaufwand
zu umgehen gewesen wären. Der Verfasser hat mit enormem Aufwand umfangreiche, zum
größten Teil ungedruckte Quellenbestände vorrangig mit statistischen Methoden in äußerst präziser Weise
durchgearbeitet und ausgewertet. Die Arbeit stellt insgesamt einen äußerst ergebnisreichen und interessanten
Beitrag zur frühneuzeitlichen Stadtgeschichtsforschung dar.

Konstanz Andreas Wilts

Klaus Megerle: Württemberg im Industrialisierungsprozeß Deutschlands. Ein Beitrag zur regionalen
Differenzierung der Industrialisierung. Stuttgart; Klett-Cotta 1982. 274 S. (Geschichte und Theorie der
Politik, Unterreihe A, Geschichte Band 7).

Klaus Megerle beschäftigt sich in seinem Buch, das aus seiner 1977 in Berlin angenommenen Habilitationsschrift
hervorging, mit den Strukturbedingungen der württembergischen Industrieentwicklung in den
letzten 150 Jahren. Seine Fragestellung geht von den heutigen Gegebenheiten des Bundeslandes Baden-
Württemberg aus, das zu den führenden Wirtschaftsregionen in der Bundesrepublik Deutschland gehört.
»Die Forderung nach Gegenwartsbezug ist auch und gerade bei der Geschichtsschreibung zur Industrialisierung
Deutschlands zu berücksichtigen« (S. 18).

Die jetzige Lage des Landes, die bestehende Industriestruktur, die regionalen Unterschiede, um nur
einige Punkte zu nennen, und daraus entstehende Folgerungen für die zukünftige wirtschaftliche Planung

213


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1983/0215