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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1984/0019
CASIMIR BUMILLER

Die Junginger Audienzprotokolle von 1600-1625

Eine dörfliche Gesellschaft am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges

EINLEITUNG

Der Verlauf der geschichtlichen Entwicklung wird nicht allein bestimmt durch Ereignisse an
der historischen Oberfläche - Kriege, Gesetzgebung, Entscheidungen von Fürsten, Feldherren
, Regierungen -, kurz: nicht allein durch das Wollen und Handeln der jeweils Macht
Ausübenden, sondern stellt sich her in einem Wechselspiel dieses Handelns mit den Reaktionen
der jeweils Beherrschten. Aus diesem Geschichtsverständnis heraus setzt sich mehr und mehr
die Erkenntnis durch, daß die Forschung bisher die historische Leistung bäuerlicher Klassen
und städtischer Unterschichten im Zivilisationsprozeß zu Unrecht vernachlässigt hat. Man hat
die Geschichte der Kapitäne und Steuermänner geschrieben, den Beitrag der Heizer, Maschinisten
, Matrosen und Schiffsjungen aber übersehen. Mit dieser Erkenntnis wendet sich die
jüngere Sozialgeschichtsforschung stärker jenen sozialen Gruppen, Schichten oder Klassen zu,
die im feudalen Staat - und d. h. bis an die Wende zum 19. Jahrhundert-jeweils bis zu 90% der
Bevölkerung ausmachten. Da diese Schichten in ihrer großen Mehrzahl auf dem Land lebten,
richtet sich damit das Interesse notwendigerweise auf die Sozialgeschichte des Dorfes.

Um das Jubiläumsjahr des Deutschen Bauernkriegs - 1975 - setzte eine wahre Flut von
Veröffentlichungen zu diesem herausragenden Ereignis der deutschen Geschichte ein, weil sich
an ihm besonders deutlich zeigen ließ, daß sich die Bauern Geschichte nicht passiv aufzwingen
ließen, sondern in ihren Verlauf zielgerichtet eingriffen. Mittlerweile ist jedoch die Diskussion
um die Eigenwertigkeit bäuerlicher Geschichte weiter fortgeschritten. Mit dem Bauernkrieg
hatte man sich eben auch auf ein großes Ereignis gestürzt, Geschichte spielt sich aber gerade
auch im nicht Spektakulären, in den Bereichen des täglichen Lebens ab. In der Tendenz richtet
sich also das historische Interesse nun eher auf das Funktionieren der dörflichen Gesellschaft
und in einem weiteren Aspekt - von der Soziologie und der Volkskunde schon lange beachtet-
auf die Geschichte des Alltags der Unterschichten1. Quellen, die das Material für solche
Forschung liefern, sind breit gestreut; häufig können gerade Quellengattungen, die seit mehr als
hundert Jahren rechtsgeschichtlicher Forschung dienten, hier herangezogen werden wie z. B.
Weistümer und Dorfordnungen2.

Aus anfänglich »nur« lokalgeschichtlichem Interesse und ohne fachhistorische Ambitionen
war ich bei ähnlichen Überlegungen angelangt wie die jüngere Sozialgeschichtsforschung. Als

1 Siehe neuerdings das großangelegte Werk von Jürgen Kuczynski, Geschichte des Alltags des deutschen
Volkes. 5 Bde. Köln 1980ff. Bd. 1 dieser Arbeit, der die Zeit von 1600-1650 behandelt, werde ich hier
häufig zum Vergleich heranziehen.

2 Z.B. Rudolf Endres, Ländliche Rechtsquellen als sozialgeschichtliche Quellen. In: Peter Blickle
(Hg.), Deutsche ländliche Rechtsquellen. Probleme und Wege der Weistumsforschung. Stuttgart 1977.
S. 161-184.

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