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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1984/0031
Die Junginger Audienzprotokolle von 1600-1625

kleinere Darlehen zu geben. Die Kirchen- und Heiligenpflegen sind in dieser Hinsicht die
Vorläufer der Darlehenskassen und Landwirtschaftsbanken.

Der geschäftsmäßige Umgang mit Geld konnte zwar zu Reichtum führen, barg aber auch
die Möglichkeit zum Ruin in sich. So begegnet uns der HändlerBalthas Dietsch jeweils nur im
Zusammenhang mit seinen Schulden. Bereits 1602 verkauft er Güter, weil er etlich gellt
schuldig, 1604 und 1606 ist er nach Seekirch Geld um Salz schuldig. 1605 verkauft er einen Acker
und Garten an Hans Ehemann. Die Salzmesser in Hechingen haben ihm 46 fl. für den Salzkauf
vorgeschossen, er habe bis Michaeli 1606 aber nicht zurückbezahlt. 1607 ist er ein Roß um 13 fl.
13 bz. schuldig. Zugleich klagt die Gemeinde gegen ihn, er habe vor zwei Jahren ein neues Haus
gebaut, das er aber nicht decke, sondern verderben lasse; auch das alte falle bald um. Auch
1608/09 erscheint er mit Schulden, aber er hatte wohl genügend Besitz, um nicht ganz in
Verarmung zu geraten. Auch scheint seine geschäftliche Glücklosigkeit den Ruf der Familie
nicht nachhaltig gestört zu haben. Sein gleichnamiger Sohn kann 1611 das Amt des Bürgermeisters
verwalten. Dem Wirt Jacob Bosch dagegen drohte das Geschäft zum Verhängnis zu
werden. Er war einem Ringinger 64 fl. um Wein schuldig. Da er mit Geld nicht bezahlen könne,
schlag fer] im gietter für oder laß sich vergandten (1612).

Die Teilnahme des Dorfs Jungingen am überregionalen Waren- und Geldverkehr vor dem
30jährigen Krieg mutet zwar durchaus bescheiden an, aber soviel dürfte doch klar geworden
sein, daß die Welt des Dorfes nicht am Ortsetter oder an den Grenzen der Grafschaft endete.
Holz aus dem Junginger Wald ging in die ganze nähere Umgebung, nach Trochtelfingen,
Rottenburg und Tübingen. Getreide wurde nach Riedlingen gefahren. Von dort und aus
Seekirch holten Junginger Händler Salz. Eisen erhielt man in Tübingen und Ulm, Kupfergeschirr
in Horb, Geldkredite in Rottweil. Es gab also ein festes Marktgefüge, an dem Jungingen
regelmäßig teilnahm. Und wenn man hinzurechnet, daß auch Junginger Handwerker auf der
Wanderschaft relativ weit herumkamen, dann wird man die Kommunikation des Dorfes mit der
Außenwelt nicht zu gering einstufen dürfen.

6. Tierhaltung

Über die Beobachtung, daß Jungingen um die Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert sehr
viele Handwerker und Geschäftsleute beherbergte, gelangten wir zur Untersuchung, wie das
Dorf in den Warenverkehr von und nach außen eingebunden war. Aber natürlich spielte sich
der größere Teil des Wirtschaftslebens innerhalb der Dorfgrenzen ab. Nur gerade über die
Agrarwirtschaft geben die Audienzprotokolle am allerwenigsten Auskunft. Lediglich einige
wenige Einträge lassen deutlich werden, daß die Landwirtschaft den Getreidebedarf des Dorfes
oft nicht decken konnte, nachdem von der Ernte der Zehnte und sonstige Feudalabgaben
abgezogen waren. In solchen Jahren mußte die Gemeinde dann paradoxerweise darum bitten,
den Zehnten von der Herrschaft wieder zurückkaufen zu dürfen (z. B. 1613). Schon 1602 baten
die Junginger um Nachlaß des Stadtkorns, weil sie so sehr nötig an Frichten seyen. Das legt den
Schluß nahe, daß die Ernährung der Bevölkerung durch Getreideprodukte häufig nicht
gewährleistet war, was unseren Blick auf die Tierhaltung lenkt. An den Mitteilungen zu diesem
Thema lassen sich auch noch weitere Fakten zur Lebenshaltung und -erhaltung, aber auch zur
Sozialstruktur ablesen.

Aus den Ehekontrakten erfahren wir, daß einem Sohn Roß und Wagen, der Tochter aber
Kuh und Bettstatt als Aussteuer zustanden. So natürlich sich diese Tatsache anhört, sie sagt
doch etwas Deutliches über die Geschlechtsrollenverteilung aus: der junge Familienvater erhält
die Kennzeichen der Stärke und Beweglichkeit, die Frau die des Geduldig-Häuslich-Statischen.
Pferd und Kuh haben zudem unterschiedliche wirtschaftliche Funktionen: das Pferd ist
Arbeitstier und Fortbewegungmittel, während die Kuh zwar auch als Zugtier verwendet wird,

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