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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1984/0034
Casimir Bumiller

Als sie mit anderen Mädchen in Gauselfingen bei der Ernte geholfen habe, sei sie in Burladingen
eingekehrt. Michel Rielin habe der Eva zu trinken gegeben, sie bis Hausen begleitet, dort weiter
mit Wein betrunken gemacht und sich mit ihr in eine Kammer gesperrt. Jetzt gebe er vor, Eva
hätte ihm die Ehe versprochen... Möglicherweise hat der junge Mann das Mädchen sehr gern
gehabt, aber dies war nicht der Weg, sie von seiner Liebe zu überzeugen. Aber auch
angenommen, sie hätte ihm in ihrem Zustand tatsächlich die Ehe versprochen, so war dieses
Versprechen nicht nur wegen ihrer Unzurechnungsfähigkeit ungültig, sondern vor allem, weil
Michel den >Instanzenweg< nicht eingehalten hatte. Sein Vergehen lag weniger in seiner
Unverschämtheit gegenüber Eva, sondern darin, daß er den Stiefvater übergangen hatte. Und
da der Aufenthalt in der Kammer offensichtlich keine vollendeten Tatsachen geschaffen hatte,
wurde aus der Ehe natürlich nichts.

Waren sich dagegen beide einig, setzten sich junge Leute bisweilen auch durch. Jerg Hewis
hat sich zu einer von Schlatt verheurat und erst umb jüngst verschine Faßnacht Hochzeit
gehalten. Dieweil er sie aber vor der Hochzeit geschwengert das sie allbereit des Kindts genesen,
sopitt er underthenig umb eine gnedige straf in Ansehung sein Vatter lang nit in Heurat willigen
wellen, allso er durch übel anstifften sich übersehen (1607/08). Jerg gibt sich durch Annahme
seiner Strafe in den Schutz des Grafen gegenüber dem Vater und das bereits geborene Kind half
den Willen der jungen Eheleute durchzusetzen.

In unserem Untersuchungszeitraum finden sich wenigstens fünf Paare, die ihr Junggesellenleben
beenden, weil sie >heiraten müssen<. Bei Barthlome Speidel, der 1612 eine protestantische
Frau aus Winterlingen heiraten will, kompliziert sich die Sache noch. Der Graf fordert nämlich
am Rand des Protokolls, daß sie katholisch werden muß. Da ein Kind unterwegs war, nahm sie
dies wohl auf sich. Dies ist ein Fall, in dem man möglicherweise von »Liebe« als Motiv für die
Ehe sprechen könnte, aber an sich ist die Frage, ob viele jener Ehen aus Liebe eingegangen
worden sind, anachronistisch. Es gab vielzuviele ehestiftende und eheverhindernde Einflüsse,
die dieses Motiv und die Frage danach geradezu ausschlössen. Mit Kuczynski könnte man
formulieren, manche Ehe sei wohl mit, kaum eine jedoch aus Liebe geschlossen worden13.

Auf der anderen Seite finden sich Fälle, wo jeder Funke Zuneigung und Verständnis
zwischen den Eheleuten verschwunden zu sein scheint. Viele Männer werden ihrer Frauen
überdrüssig. Schon 1600 läßt Claus Stainggeter, der bei Michel Hennenlotter in Lohn stand,
seine Frau sitzen und verschwindet aus Jungingen. Erst längere Nachforschungen ergeben, daß
er sich in der Fremde neu verheiratet habe. Jerg Grösser, der 1611 Witwe Keßler, die Baderin,
geheiratet hatte, läßt schon ein Jahr später protokollieren, er wolle mit seiner Frau, die wieder
begnadet worden, nicht länger zusammenleben. Hans Hewis, der in der Zeit zwischen seinen
beiden legalen Ehen mit Balthas Dietschen Tochter in Unehren gelebt hatte, kaufte sich 1611
von dieser illegitimen Beziehung frei. Er verspricht ihr 60 fl., doch so sie mit einem Kindgieng,
soll sie das Kind ohn sein Costen und Schaden erziehen. Die legale Ehe, die er darauf mit
Catharina Beckin einging, endete aber schon 1612 in einer Entfremdung von tragischem
Ausmaß. Alls der Vogt zu Jungingen bey der Cantzley bericht, wie das Hans Hewis und sein
Weib von Jungingen so ubel miteinander haußen und einander nit ehelich beywohnen, sondern
voneinander seyen, sein beede Theil hiriber beschickht und angehen worden. Als die Frau an
Ostern heimgekommen sei, hebe er sie geschlagen, alls bald sie Mordio geschrieben, man wolle
sie umbbringen, zugleich auch ein Messer an Irseithen gesetzt und gesagt, sie wollsich erstechen.
Als der Mann ihr das Messer entrissen, habe sie gedroht, das Haus, das sie in die Ehe gebracht
habe, zu verbrennen. Der kleine Bueb, sein Sohn aus erster Ehe, habe zu ihr neulich gesagt, er
hätte Lust, das er sie zu Boden schlieg, er well auch die Speißen, die sie khoch nitEßen... was sie
dann bey ihm thun soll? Beide Eheleute wollen zu den Ihren.

13 Kuczynski (wie Anm, 1), Bd. 2, S. 246ff.
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