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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1984/0037
Die Junginger Audienzprotokolle von 1600-1625

Stiefkindern eine Rolle - dieses Verhältnis liefert nur einen psychisch eigentümlichen Anlaß -,
sondern überall, wo unterschiedliche ökonomische Interessen und/oder persönliche Bedürfnisse
aufeinanderstießen. Solche Konflikte wurden in der feudalen dörflichen Gesellschaft
üblicherweise handgreiflich ausgetragen.

3. Aggressivität

Wir haben es gesehen: der erwachsene Mann schlägt seine Stiefmutter, der kleine Bub weiß
ihr immerhin schon mit Schlägen zu drohen. Für uns hört es sich hart an, aber das war die
allgemeine Form der sozialen Konfliktlösung. Das 4. Gebot hatte man wohl im Hinterkopf,
aber wo »der Gaul durchging«, d. h. die Affekte nicht mehr zu bändigen waren, stellte es kein
Hemmnis dar.

Die Aggressionen machten sich oft zunächst in Drohungen und Beschimpfungen Luft.
Selbst der Vogt Hans Schuler hatte Jg. Balthas Dietsch ein Zwibel und Krautfreßer gescholten
und das er nit werth sey, das man in ein Burgermeister schellt, das seien jenem aber unleidenliche
worth gewesen (1612). Hans Grösser und Jacob Dierhaimer, die ein groß geschrei, auch
Fluchen, Gotteslesteren und Schweren verübt, haben Hans Bumiller den Hut genommen und in
den Dreck geworfen (1612). Hans Schwab und Hans Baur hatten 1608 einmal Streit. Diweil
aber kheiner dem andern khein Straich geben, baten sie, ihnen die Strafe zu erlassen. Im
Wirtshaus aber, bei Festen oder wenn man mit Auswärtigen zusammenkommt, arten Wortgefechte
leicht in kleine Schlachten aus. So zeigte der Vogt schon 1600 einmal Rauf- und
Schlaghändel an und 1609 gab es beim Jagen Händel zwischen Jungingern und Hausenern,
unter den letzteren der alte Sackpfeifer. Hans Bumiller, der Säger, der in diesem Jahr sowieso
Arger mit der Gemeinde hat, verprügelt einen Heimbürgen, bekommt aber bald darauf die
Antwort von Michel Kohler, der ihn blutrinstig schlägt (1609). Auch der Vogt selbst bekommt
seine Schläge, wobei oft nicht zu unterscheiden ist, ob die Motive rein privater Natur sind oder
ob man ihn als Vertreter der Herrschaft angreift. 1603, als Jacob Kohler den damaligen Vogt
Hans Ehemann verprügelt hat, scheint es um einige Güter gegangen zu sein. 1607 mag
Grundsätzlicheres im Spiel gewesen sein: Daß umb verschine faßnacht Zeit Bastian und Theis
die Seitzen gebrüeder von Jungingen den Vogt Hans Schuelern und Martin Gammertingern
daselbsten gleichsam uf den todt geschlagen, dessen halben haben sich die Seitzen eine Zeitlang
des Fleckens Jungingen entäußert. Der Fall hatte 1608 ein längeres gerichtliches Nachspiel und
es scheint zu einer Sippenverfeindung gekommen zu sein. 1625 - Bastian Seitz war nun selbst
seit Jahren Vogt - bekam er Streit mit seinem Neffen Hans, der bei ihm Knecht war. Es kam zu
Beschimpfungen, weil Bastian seinen Bruder, den Vater des Knechts, in irgendeiner Sache
beschuldigt hatte. Der Knecht Hans warf einen Löffel so heftig nieder, daß er an den Gästetisch
sprang (wir erinnern uns, der Vogt Seitz war Gastwirt). Hans hat seinen Zorn wegen Armut
etliche Tage im Turm verpuffen lassen müssen.

Die beiden Seitz haben den Vogt und den Gammertinger gleichsam uf den todt geschlagen.
Das aggressive Potential war so unberechenbar, daß die Folgen oft nicht absehbar erschienen.
Der Schritt vom blutrünstigen Hieb zum Fast-Erschlagen war klein, und unter dem Einfluß von
Alkohol endete manche Auseinandersetzung tatsächlich mit Totschlag. Gall Flad von Jungingen
ist in verschiner Faßnacht zwischen Hetingen und Ittenhausen jemerlich ermördt worden
(1610)17.

Die aggressive Form der Auseinandersetzung bestand nicht nur unter erwachsenen
Männern, sondern auch unter Frauen und Kindern. Gall Flads Weib, Barbara Dachtmännin,

17 Zur Häufigkeit solcher Totschläge im 16.-18. Jh. siehe Joh. Adam Kraus, Reutlinger Asylanten aus
Hohenzollern. In: Zeitschrift für Hohenz. Geschichte 1 (1965) S. 255-266. Nach J. Heim, Die Landes-,
Grund- und Leibherrschaft der Grafen von Zollern. Diss. Freiburg 1922. S. 24 Anm. 15 klagt Graf Jos
Niclas II. einmal über 15 Morde und Totschläge innerhalb 3 Jahre an einem Ort.

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