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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1984/0046
Casimir Bumiller

Wirtsstuben dringt, durchaus versöhnlich an. Nur, wer lacht dort mit wem? Ob in dem
gepflegten Gasthaus des Martin Gammertinger, bei dem die Amtleute zu frühstücken pflegen,
auch der Tagelöhner aus und ein geht, ist zumindest fraglich. Und auch sonst werden sich der
Bauer und der Sägemüller nicht mit dem Knecht und dem Dienstboten an einen Tisch gesetzt
haben34. Denken wir noch an die Spinnstuben, die uns geradezu als Sinnbilder der Geborgenheit
und des Heimeligen gelten, so wußte die Herrschaft auch dieser Freude eine kleine bittere
Traube beizufügen. 1602 bitten nämlich die armen Weiber von Jungingen... underthenig, weil
eine oder zwo nachts das Liecht nit erkhinnen megen, E. H. wellen inen gnedig vergunden, das
sie zusamen zum Liecht gehen mechten. Es scheint also eine Bestimmung gegeben zu haben,
wonach die Frauen einzeln zur Spinnstube gehen mußten. Bei aller Fröhlichkeit, die hier
schließlich geherrscht haben mag, darf man aber auch nicht übersehen, daß die Kunkelstuben
gerade in dieser Zeit Brutstätten des Hexenglaubens waren, und manche Frau - in Jungingen
z. B. die schon erwähnte Anna Kientzlerin - ist hier zur Hexe gemacht worden35.

Wenn schließlich der Nachwächter - um noch ein letztes Symbol dörflicher Idylle
anzuführen - um neun Uhr abends die Männer in den Wirtshäusern und die Frauen in den
Stuben zur Nachtruhe mahnte, war für die meisten von ihnen ein 15stündiger Arbeitstag
beendet.

SCHLUSS

Ich kann die kleine Studie über eine dörfliche Gesellschaft am Vorabend des 30jährigen
Krieges nicht abschließen, ohne noch einmal auf die Quellengattung zu sprechen zu kommen,
der ich mein Material verdanke. Die Audienzprotokolle stellen einen der Kanäle dar, über die
der Graf Informationen aus seinen Dörfern erhält und über die die herrschaftlichen Verfügungen
aufs Land zurückfließen. Sender der Informationen und Empfänger der Verfügungen ist in
der Regel der Dorfvogt. In meinem früheren Aufsatz hatte mich dieses intermediäre Verhältnis
zwischen Fürst und Untertanen - die eine Seite ist durch den Hofrat, die andere durch den Vogt
vertreten - veranlaßt, von einer Herrschaftsanonymisierung zu reden. Ich hatte vermutet, daß
in einer Zeit vor dem 18. Jahrhundert Untertanen und Fürst sich direkter in diesem Audienz-
Verhältnis gegenübergestanden haben müssen. Diese Vermutung bestätigte sich nun nicht in
der Weise, daß ich ein direktes Gespräch zwischen Graf und Untertan gefunden hätte, aber
doch immerhin soweit, daß der Graf zu Beginn des 17. Jahrhunderts noch wesentlich stärker
persönlich in den Protokollen präsent ist als in der Mitte des 18. Jahrhunderts. Die Protokolle,
die jeweils nur auf die rechte Spalte der Blätter geschrieben sind, lassen dem Grafen genügend
Raum, um eigenhändig Verfügungen, Anordnungen, Strafen, Vorschläge, Befehle oder sein
einfaches Einverständnis (Fiat) niederzuschreiben. In unregelmäßigen Abständen setzt er auch
seine Unterschrift Zollern unter die Protokolle zum Zeichen, daß er Kenntnis genommen hat.
Es fragt sich, ob die Anfertigung schriftlicher Protokolle nicht erst notwendig wurde, weil die
Sitte direkter Anhörung des Untertanen durch den Grafen vielleicht gerade gegen Ende des
16. Jahrhunderts aufgegeben wurde, als die Auseinandersetzung zwischen Herrschaft und
Landschaft eine härtere Gangart annahm. Man müßte an den ältesten erhaltenen Protokollen
aus der Zeit um 1580 (z. B. für Owingen) nachprüfen, ob es solche Hinweise gibt36.

34 Vgl. Weber-Kellermann (wie Anm. 16), S. 156f.

35 Wie Anm. 10.

36 Neuerdings hat E. Elbs die frühen Audienzprotokolle für seine Studie »Owingen 1584. Der erste
Aufstand in der Grafschaft Zollern« in: Zeitschrift für Hohenz. Geschichte 17 (1981) S. 9-127 mit
einbezogen. Er kommt dabei zu Ergebnissen, die meine Überlegungen und viele meiner Beobachtungen
stützen.

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