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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1984/0124
Manuel Werner

Familiensteuer für alle gleich war, wurde die Vermögenssteuer dem jeweiligen Vermögen
entsprechend erhoben61. Allerdings fehlten der Judengemeinde einige typische Merkmale
anderer politischer Gemeinden: Sie hatte keine Markung und keine Polizei62.

Ende der politischen Judengemeinde

Die endgültige bürgerliche Gleichstellung der Juden schienen die Grundrechte der Deutschen
von 1848 und die Reichsverfassung von 1849 zu bringen. Die preußische Verfassung, die
1850 in ganz Hohenzollern Gültigkeit erlangte, gewährte die bürgerlichen und staatsbürgerlichen
Rechte unabhängig vom Religionsbekenntnis. Gleichzeitig aber hielt die Regierung daran
fest, daß die christliche Religion bei den staatlichen Einrichtungen grundlegend sei63. Die
Hechinger Juden veranstalteten im Jahr 1850 in einem israelitischen Gasthaus ein Festmahl und
feierten ihre staatsbürgerliche Gleichberechtigung. Der Vorsteher der israelitischen Gemeinde,
S. B. Liebmann, war auch Mitunterzeichner einer Ergebenheitsadresse an den König von
Preußen. Wie die Christen in der Stiftskirche, so feierten die Juden in ihrer Synagoge einen
Dankgottesdienst für die Aufnahme Hohenzollerns in das Land Preußen. Rabbiner Dr. Samuel
Mayer forderte in seiner im Druck vorliegenden Festrede64 dazu auf, dem König mit Vertrauen
und Ehrfurcht zu begegnen und sich an das neue Vaterland mit der Glut der Herzen
anzuschließen. Unter Anspielung auf den Ubergang eines kleinen an einen großen Staat zitierte
er das Wort eines jüdischen Weisen: »Besser ist es, der Schweif eines Löwen als das Haupt eines
Fuchses zu sein«. Die israelitische Gemeinde als politische Gemeinde blieb allerdings vorläufig
erhalten65.

. Erst im Jahr 1871 hörte die politische Judengemeinde auf zu bestehen66. Die Reichsverfassung
von 1871 hob nämlich alle aus der Verschiedenheit religiösen Bekenntnisses noch
bestehenden Beschränkungen der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte auf67. Ein
Reichsgesetz68 machte die politische und rechtliche Gleichheit aller Bürger vom Religionsbekenntnis
unabhängig, womit auch die Juden de jure rechtlich und politisch gleichgestellt
wurden. Zu den darauf folgenden Umwälzungen gehörten die Einführung der Zivilehe im Jahre
1874 und das neue Gemeindestatut von 188069.

In der Stadtgemeinde Hechingen wurden die Juden ihren christlichen Mitbürgern erst durch
die neue Gemeindeordnung und das neue Steuersystem vom 1. April 1901 völlig gleichgestellt70
. Dies bewirkte allerdings noch lange nicht die volle menschliche und gesellschaftliche
Anerkennung und Integrierung der Juden71.

b) Religiöse Gemeinde

1544 lebten zehn jüdische Familien in Hechingen. Mit zehn Männern als notwendige
Mindestzahl (Minjan) war bereits eine Gemeinde konstituiert, konnte ein Synagogengottesdienst
abgehalten werden. Zwei Jahre später kaufte die Judenschaft von Graf Jos Niklas II.

61 Siehe auch Kapitel X. Kult und rituelle Formen unter 7. Gelübde und Eide.

62 Vgl. C, S. 224 ff.

63 Vgl. Maren Kuhn-Rehfus, Die Juden inHechingen. Rundfunkvortrag vom 13. 3. 1982, 15.40 Uhr,
Süddeutscher Rundfunk Stuttgart 2.

64 Mayer, Der Stein und das Bild oder Preußens Zukunft. Festrede vom 8. April 1850, Hechingen.
Lagerort: StAS Ho 235 I - X 1230.

65 Vgl. ChH III, S. 260.

66 Vgl. Schweizer, Israeliten in Hechingen. In S'Zollerländle Nr. 2 vom 25. 6. 1927. ChH □, S. 293.

67 Vgl. Maren Kuhn-Rehfus, Die Juden in Hechingen. Rundfunkvortrag vom 13. 3. 1982.

68 Reichsgesetz über den Unterstützungswohnsitz, in Kraft seit 1. Juli 1871.

69 Vgl. ChH II, S. 305.

70 Vgl. Schweizer, Israeliten in Hechingen. In: S'Zollerländle Nr. 2 vom 25. 6. 1927. ChH II, S. 293.

71 Vgl. Maren Kuhn-Rehfus, Die Juden in Hechingen. Rundfunkvortrag vom 13. 3. 1982.

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