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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1984/0125
Die Juden in Hechingen als religiöse Gemeinde

dann ein Haus in der Kernstadt, das sie zu einer Judenschuol, einer Synagoge, einrichtete.
Während der Großteil der Hechinger Juden Mitte des 18. Jahrhunderts in die Friedrichstraße
außerhalb der Stadt ziehen mußte, gewährte der Fürst den Hofjuden, Häuserbesitzern und
»einigen zur Haltung der Synagoge hinlänglichen Haushaltungen«72, in der Stadt zurückbleiben
zu dürfen. In der Friedrichstraße entstand eine kleine gettoartige Siedlung mit eigener
Synagoge. In dem Schutzbrief vom Jahre 1775, der für 25 Jahre Gültigkeit hatte, soll der
israelitischen Gemeinde der Bau einer neuen Synagoge in Hechingen anstelle der judenschuol
zugestanden worden sein73. Vom 1. Januar 1800 datiert ein Schutzbrief des Fürsten Hermann
Friedrich Otto, der aber bereits vom 30. November 1798 an in Kraft war. Er galt für 40 Jahre.

»Die Gemeinde durfte, wie schon früher, einen Rabbiner halten, der von herrschaftlichen
Abgaben frei war. Er übte die Gerichtsbarkeit in Sachen, die >das jüdische Gesetz< betrafen«74,
während für »bürgerliche und peinliche Sachen« die Kanzlei und die Judenvorsteher zuständig
waren.

»Das jüdische Ceremoniell durfte in beiden Synagogen, in der Stadt und auf der Friedrichstraße
, ungestört ausgeübt werden«. Die christlichen Festtage allerdings mußten von den Juden
respektiert werden. An ihnen »waren die Unterthanen mit Eintreibung der Schulden ohnange-
fochten zu lassen«. Während der christlichen Gottesdienste durfte kein Jude in die Stadt fahren
oder reiten, »die äußerste Noth ausgenommen«75.

Jährlich durfte der Jude - wie seit alters her - für seine Familie einen Stier oder ein Rind oder
zwei Schafe oder ein Kitz schlachten. Auch durfte die Judenschaft auf der Friedrichstraße eine
»Metzge« gegen Entrichtung von jährlich sechzehn Gulden errichten. Aus dieser Metzge sollte
aber bei zehn Taler Strafe kein Fleisch in die Stadt gelangen. Um koscheren Wein auszuschenken
, wurde eine fürstliche Genehmigung benötigt. Soweit der Schutzbrief von 1798 (bzw.
1800)76.

Einrichtungen

Die Mitglieder der israelitischen Gemeinde unterhielten - zumindest zeitweise - eigene
Schulen: ein Bet Midrasch77, 1803-1850, gegründet von Chaile und Jakob Kaulla für jüdische
Theologiestudenten, eine Talmud-Tora-Schule78 mit traditionellem Lehrplan, die von der
Talmud-Tora-Bruderschaft79 getragen wurde und die bis zur Gründung einer öffentlichen
israelitischen Volksschule80 (1825) bestand und nach einigem Hin und Her in ihr aufging. Die
Volksschule wurde 1926 aufgelöst. Weiter bestanden religiöse und karitative Bruderschaften
und Vereine, insgesamt vier Synagogen, ein Schul- und Gemeindehaus, rituelle Badhäuser, ein
Armenhaus, eine Herberge für Durchreisende, ein eigener Friedhof, Stiftungen zu karitativen
Zwecken, ein Schlacht- und Waschhaus, eine koschere Metzgerei, eine rituelle Matzot-

72 Vgl. C, S. 208. - Siehe hierzu unter Anm. 17.

73 Ebd. S. 207.

74 Ebd. Siehe auch Kapitel IX. Das Kultuspersonal unter 1. Rabbiner (Rabbinischer Gerichtszwang).

75 Ebd. Siehe hierzu auch Kapitel XII. Verhältnis der Religionen zueinander.

76 Vgl. C, S. 207 ff.

77 Bet Midrasch (= Haus des Studiums). Lehrhaus, in dem die Tora (im weitesten Sinne) unter der Leitung
eines oder mehrerer anerkannter Gelehrter studiert und die mündliche Tradition diskutiert wurde.

78 Die Talmud-Tora-Schule beschränkte sich wohl hauptsächlich auf traditionelle Lehrgegenstände wie
das Erlernen von Lesen und Schreiben (vornehmlich der hebräischen Sprache), das Auswendiglernen der
autoritativen Traditionsliteratur mit der maßgeblichen interpretierenden Überlieferung und die assoziative
und schließlich schlußfolgernde Verwertung des Erlernten im Sinne neuer Halacha-Findung.

79 Vgl. Kap. XI. Vereinigungen religiösen Charakters unter 1. Bruderschaften.

80 In der Volksschule wurde der traditionelle Lehrplan durch die vorgeschriebenen profanen Lehrgegenstände
ergänzt. Seit dem 19. Jahrhundert wurde die Didaktik und Methodik viel diskutiert und oft
umgestaltet.

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