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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1984/0219
Die Juden in Hechingen als religiöse Gemeinde

Einige Gebetsmäntel und Kopfbedeckungen wurden vermutlich ständig in der Synagoge
aufbewahrt. Der Kultusbeamte Carl Hamburger schreibt als Augenzeuge in seiner Schilderung
über die Zerstörung der Hechinger Synagoge: »...Ich schaute auf die Straße (Goldschmiedstraße
) hinaus und sah, wie Städtische Arbeiter Gebetsbücher, Talisim, Zilynder etc. durch die
eingeschlagene Synagogentüre wieder in die Synagoge schaufelten...'465.

9. Symbolische Darstellungen und Motive

Die wenigen hier behandelten Kultgegenstände drücken in der reichen Vielfalt ihrer Stile
und Formen die Verknüpfung der Juden mit den Kulturen der Länder aus, in denen sie lebten.
Waren die Geräte im 17. Jahrhundert geschaffen, zeigen sie den pompösen Stil des Barock mit
seinen regelmäßigen und symmetrischen Elementen. Die Gegenstände aus dem 18. Jahrhundert
weisen hingegen den pittoresken Rokokostil mit seinen asymmetrischen Motiven auf.
Gegen Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhundens entstandene jüdische Kultgegenstände
sind im strengen klassizistischen Stil gehalten.

Obwohl die Kultgegenstände in ihrem Stil den zeitgenössischen Einfluß des Entstehungslandes
widerspiegeln, sind doch viele ihrer Symbole und Motive traditionell israelitischen
Ursprungs und haben rein jüdische Bedeutung. Folgen einerseits Putten, Zentauren, doppelköpfige
Adler, Girlanden, Verzierungen aus Pflanzen- und Tierwelt usw. im allgemeinen der
üblichen Ornamentik des Landes, in denen die Gegenstände geschaffen wurden, so steht
andererseits ein Löwe für den Löwen von Juda, die drei Kronen für die Tora, das Priester- und
Königtum, die Menorah und die Bundestafeln für Gegenstände des Stiftszeltes und des
Tempels466.

Da Symbole durch undefinierbare Mehrdeutigkeit ausgezeichnet sind, können sie eigentlich
nicht verbal erklärt werden. Sonst wäre es ja möglich, das Symbol selbst durch rationale
Begrifflichkeit zu ersetzen. Eine »Erklärung« der Symbole mit mehr oder weniger authentischem
Anspruch, eine isolierende Deutung käme der Zerstörung der Symbole und ihres
Symbolsinns gleich. Eine erschließende Symbolbeschreibung ist offen und letztlich unab-
schließbar. Sie kann Hinweise geben, Zusammenhänge andeuten, muß aber dem jeweiligen
Motiv jene Bedeutungsbreite belassen, ohne die das Symbol auf einen leeren Allgemeinbegriff
reduziert würde, dem die kennzeichnende unauslotbare Individualität fehlt467.

In diesem Sinne und unter diesen Vorbehalten werden im Folgenden einige Sinnbilder
alphabetisch aufgelistet und kurz beschrieben:

Adler: Auf dem von der Familie Baruch gestifteten Toraschild neueren Datums ist ein
doppelköpfiger Adler zu erkennen. In der Bibel begegnet der Adler als Sinnbild für Gottes
Allmacht oder auch für die Stärke des Glaubens. In Fortführung der römischen Tradition steht
der Adler des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation für die Souveränität des deutschen
Staates. Im Mittelalter wurde er noch einköpfig dargestellt; den doppelköpfigen Reichsadler
gibt es seit 140 1 468. Die Darstellung des doppelköpfigen Reichsadlers auf dem Toraschild
jüngeren Datums weist auf die Vaterlandsliebe der national gesonnenen hohenzollerischen

465 Handschriftliche Niederschrift von Carl Hamburger vom 5. April 1943, 9 Seiten. Lagerort: CAHJP,
Inv. Nr. 1014/9.

466 Vgl. Gutmann, Jüdische Zeremonialkunst. Frankfurt am Main 1963, S. 37f.

467 Dieselben Vorbehalte gelten bei der Beschreibung symbolischer Darstellungen und Motive auf den
Grabsteinen des Judenfriedhofs. - Vgl. Hubertus Halbfas, Das dritte Auge. Religionsdidaktische
Anstöße. Düsseldorf 1982, S. 123 f. '

468 Vgl. Herder Lexikon Symbole. Freiburg 1978, S. 11 und Gutmann, Jüdische Zeremonialkunst.
Frankfurt am Main 1963, S. 19.

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